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Sonntag:
Lukas 21,25-33
Evangelium
Jesus spricht von Vorgängen, die bereits geschehen. In den vorhergehenden Versen weist er
ziemlich eindeutig auf die Schrecken des anbrechenden Jüdischen Krieges hin, der vier
Jahrzehnte später in wahnsinnigem Blutvergießen und der Zerstörung des Tempels endete.
Dass die „Kräfte des Himmels“ ins Wanken kommen, dass Kometen die Erde bedrohen, dass
Erdbeben, Vulkanausbrüche, Tsunamis und ökologische Katastrophen Furcht erregen, gehört
seit jeher zur Grundbefindlichkeit des Menschseins. Die so genannten „Zeichen der
Zeit“ sind nicht die speziellen Zeichen ihrer Fortgeschrittenheit, sondern Kenn-Zeichen
allen Daseins im Diesseits. Aber die Angst soll uns nicht beherrschen, sondern sie
soll uns dienen. Sie soll uns dienen, indem sie uns erinnern darf, dass unser Dasein
etwas sehr Vorläufiges ist.
Gerade das, sagt Jesus, soll uns aber der Anlass zu großer Zuversicht sein, denn
unsere bescheidene Existenz, in der jede Stunde kostbar ist, weil die Zeit so kurz
ist, darf Anteil daran haben, dass die Menschheit ihrem großen, guten Ziel
entgegenwächst, und darin darf jedes kleine Leben höchst sinnvoll sein. Das Ziel
ist nicht das zeitliche Ende der Welt mit Schrecken, in dem wie einst bei der
Sintflut nur die Schar der makellosen, unbefleckten Gläubigen gerettet wird,
während alle anderen in der ewigen Hölle versinken. Sondern das Ziel ist das
Reich Gottes, von welchem gesagt ist: Es kommt, allezeit ist es im Kommen,
und es ist mitten unter uns und mitten in uns. Es ist so mitten in uns wie
der kommende Menschensohn in der nahenden Erlösungswolke ist, die wir nur
erkennen, wenn wir unsere Häupter erheben. „In“ der Wolke steht hier wirklich
im griechischen Text, nicht auf ihr! In der Wolke heißt in der Bibel jedoch
immer, dass sich etwas andeutet, abzeichnet, dass es sich aber dem Blick
noch nicht öffnet. Die Wolke ist Sinnbild des Glaubens und Hoffens ohne
Schauen.
Das also charakterisiert den christlichen Glauben: Angesichts des Übels und des
Bösen in der Welt nicht die Köpfe hängen zu lassen, sondern im wachen, nüchternen
Bewusstsein der kurzen Zeit, die wir im Diesseits unterwegs sind, den Blick auf
das Kommen des Menschensohns auszurichten, das sich abzeichnet, aber noch nicht
klar erkennbar ist. Sein Kommen ist das Kommen des Gottesreichs der Liebe. Der
Menschensohn ist der wahre Mensch und was er bringt, ist wahre Menschlichkeit.
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