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Samstag: Wochenspruch
Die Erlösung ist das Licht am Ende des Tunnels. Sie naht sich nur, wenn sie zur Erfahrung wird.
Wir müssen dazu das Licht am Ende des Tunnels noch nicht sehen, es darf noch ganz dunkel und
unheimlich sein. Aber dann muss die Erfahrung im Trost bestehen: „Und ob ich schon wanderte
im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir: dein Stecken und Stab
trösten mich.“ Der Stecken ist die Keule des Hirten, die er nicht gebraucht, um das
Schaf zu schlagen, sondern um es vor den Feinden zu schützen. Mit dem Stab leitet
er das Schaf und zieht es in seine tröstende Nähe. Ein dunkles Tal ohne Trost ist
für den Glauben an den barmherzigen Gott nicht denkbar. Wenn der Glaubende es
trotzdem erfährt, ist es für ihn das Schlimmste überhaupt. Genau das ist die
Hiobserfahrung: Trostlosigkeit, Gottverlassenheit in der Dunkelheit.
Es gibt unrealistische und realistische Forderungen. Unrealistische Forderungen
verlangen etwas, wofür es keine definitive Notwendigkeit gibt. Realistische
Forderungen rechnen mit dem Notwendigen. Zum Beispiel ist es notwendig, dass
der Boden, auf dem mein Stuhl jetzt steht, diesen ganz sicher trägt. Naturgesetze
sind notwendig. Das Wesen eines Dinges ist notwendig. Notwendigerweise ist der
Laptop, in den ich diese Zeilen tippe, ein Laptop mit allem Drum und Dran, nicht
aber eine Ziege oder ein Flugzeug. Zwei plus zwei ist notwendig vier. Notwendig
ist alles, wozu es nur die Alternative des blanken Unsinns oder des Wahns gibt.
Notwendig ist es, von dem einen Gott des jüdisch-christlichen Glaubens zu erwarten,
dass er barmherzig ist und sich deswegen auch erkennbar so verhält. Denn entweder
ist Barmherzigkeit sein Wesen oder es lohnt sich keinen Augenblick, ihm zu vertrauen.
Das Problem der Hiobserfahrung liegt darin, Gott mit gnadenloser Überzeugungskraft
und Nachhaltigkeit als Unbarmherzigen zu erleben. Hiob hält daran fest, dass zwei
plus zwei vier ergeben muss. Alle Erfahrung scheint ihm aber zu beweisen, dass bei
Gott zwei plus zwei eine andere Summe ergibt. Seine Vorstellung vom barmherzigen
Gott geht in keiner Weise auf.
Was Hiob braucht wie jeder, der solche Erfahrungen macht, ist der Blickwechsel:
Entweder schaue ich nach unten oder nach vorn. Glaube ist Ansichtssache. Der
Blick nach unten sucht und findet überall Bestätigungen für das Negative. Der
Blick nach vorn, der immer auch ein bisschen Blick nach oben ist, in Richtung
auf den Horizont, erkennt den Weg, und im Weg offenbart sich ihm der Sinn. Wenn
wir aufsehen und uns aufrichten, stellt sich der Trost ein. Vorher nicht.
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