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Dienstag:
Matthäus 24,1-14
Jesus spricht hier nicht vom chronologischen Ende, sondern vom prozesshaften Ziel (télos).
Er versteht die Vorgänge des Leidens in der gesamten Welt wie auch des Leidens der Christen
unter Verfolgung als Geburtswehen des Friedens. Wie bei der Geburt des Glaubens ist das
aber, solange es sich im Diesseits vollzieht, immer zugleich ein Werden und schon ein
Dasein. Darum gebraucht Jesus im weiteren Text auch, ergänzend zur Metapher der Wehen,
das Bild des reifenden Feigenbaums (V32-33). Viele Wachstumsvorgänge in der Natur
vereinen Ausgereiftes und Unausgereiftes in sich. Uralte Bäume zeigen sich jeden
Frühling wieder in neuer Blütenpracht. Für den Menschen gilt das erst recht: Kinder
können in mancher Hinsicht sehr reif sein, Erwachsene sehr kindisch. Unsere
Persönlichkeitsdefizite sind in erster Linie Reifungsdefizite. Jede noch so
ausgereifte Persönlichkeit hat ihre Schwachpunkte, an denen sie noch nachreifen
darf, oder mit dem anderen Bild: wo noch etwas Neues in ihr zur Welt kommen will.
Aber auch alle echte Kreativität ist ein Gebären. Aus bereits Herangereiftem
reift wieder Neues hervor, aus Blüten werden Früchte, aus Früchten Samen, aus
Samen neue Keime.
Was für den einzelnen Menschen gilt, das gilt auch für die ganze Menschheit.
Jesus spricht vom Reifungsziel der Menschheit. Reif wird die Menschheit, wenn
sie menschlich wird. Das Reifungsziel der Menschheit ist globale Humanität.
Das Entscheidende an den Endzeitreden Jesu ist seine Überzeugung, dass die Menschheit
ihr Wachstumsziel, wenn auch durch die allerschlimmsten und schmerzhaftesten Krisen
hindurch, wirklich erreicht. Alles, was er da sagt, vor sehr düsterem, sehr
bedrohlichem Hintergrund, ist voller Hoffnung und Zuversicht.
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