Christfest
Leitmotiv: Gott wird Mensch
Wochenspruch: „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit.“ Johannes 1,14




Predigten
zum Christfest
Weihnachtsfeiertage: Johannes 1,1-5.9-14

Diese Verse haben einen ganz eigenen, kostbaren Charakter, denn mit ihnen schafft Johannes die Integration von platonischer Philosophie und Christentum. Weder wird der Platonismus damit durch das Christentum ersetzt noch wird es ihm untergeordnet. Es ist Integration im eigentlichen Sinn des Wortes als Herstellung einer Verbindung von Teilen zu einem stimmigen Ganzen. Was hier behauptet und theologisch ermöglicht wird, ist der Zusammenschluss von Philosophie und Religion. Es ist ein Zusammenschluss wie durch ein Scharnier, eine Passung der beiden Teile, die ihrer jeweiligen Vollständigkeit nichts wegnimmt, ihre Freiheit nicht beschränkt.

Das verbindende Scharnier ist der Logos. Im Anfang war der Logos. „Logos“ heißt nicht nur „Wort“, sondern vor allem auch „Sinn“, womit das bezeichnet ist, was wir einen „logischen Zusammenhang“ nennen. En arche en ho lógos, schrieb Johannes auf Griechisch. „Anfang“, arche, ist nicht der zeitliche Anfangspunkt, sondern das Sein, aus dem alles Dasein hervorgeht, das, was noch vor der Schöpfung ist. Johannes bejaht die platonische Annahme, dass dieser Anfang, das Sein schlechthin, ein logisches Prinzip ist (arche kann auch mit „Prinzip“ übersetzt werden). So weit kann die Philosophie mit ihren Überlegungen kommen und sie kann einiges von den logischen Zusammenhängen zwischen Sein und Dasein nachzeichnen. Wie man sich diesen Anfang, das Sein schlechthin, aber vorzustellen hat und wie er selbst wiederum begründet ist, vermag die Philosophie nicht zu sagen. Wenn sie sich dennoch dazu versteigt, wird sie religiös.

Aus dem Logos des Anfangs strahlt das Licht des Lebens. Der Logos ist die Quelle dieses Lichts, das Leben ist sein Schein. Das Lebendige ist zugleich das Erleuchtete. Der Gegensatz dazu ist Finsternis. Finsternis ist nicht dasselbe wie Nicht-Sein, Nicht-Leben, Nicht-Licht, sondern Finsternis ist die destruktive Kraft der Leugnung des Logos: gegen das Leben, gegen das Licht. Finsternis ist die Macht der Lüge.

Der Logos manifestiert sich in menschlicher Gestalt als wahrhaftiges Leben ohne einen Schatten der Finsternis in einer konkreten menschlichen Person. Auch das kann die Philosophie noch andenken, aber allenfalls im Sinne einer „negativen Theologie“, die nur hindeutend, andeutend vom Göttlichen unter uns Menschen sprechen kann, wie ein Blinder vom Widerstand, der ihn die Grenze hin zu einem Unbekannten spüren lässt. Die Philosophie kann nur vom unbekannten Gott reden, wenn sie bei sich selbst bleibt, was nicht zuletzt bedeutet: Wenn sie redlich bleibt.

Darauf antwortet der christliche Glaube mit der Offenbarung. Paulus beginnt seine Areopagrede vor den versammelten Philosophen Athens (Apg 17), indem er auf den Altar für den unbekannten Gott hinweist, den er in Athen gefunden hatte. Diesen Gott wolle er ihnen nun verkündigen. Paulus weiß genau um das Scharnier und er weiß genau zu unterscheiden zwischen philosophischer und theologischer Rede. Mit dieser Aussage klärt er gleich zu Beginn, dass er jetzt nicht philosophisch, sondern theologisch reden wird. Das macht sein Reden glaubwürdig. Man hört ihm zu. Auch die Einleitung des Johannesevangeliums ist eine Einladung zum Hören des Evangeliums an alle, die in ihrem philosophischen Denken - zu Recht - ernst genommen werden wollen, wie auch an alle religiösen Menschen, sich den Dienst der philosophischen Logik gefallen zu lassen.



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