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10. Sonntag nach Trinitatis
Leitmotiv: Die Kirche und Israel
Wochenspruch: „Wohl dem Volk, dessen Gott der Herr ist,
dem Volk, das er zum Erbe erwählt hat.“ Psalm 33,12 |
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Inhaltliche Zusammenfassung
Judentum und Christentum sind eins durch die Grundgebote der Tora. „Liebe Gott und deinen
Nächsten wie dich selbst“ ist, wie Jesus sehr deutlich zum Ausdruck gebracht hat, beider
Dreh- und Angelpunkt. Darin besteht das Erbe, also die gute Tradition mit dem Auftrag,
sie lebendig sein zu lassen (Wochenspruch Ps 33,12; Rö 11,25-33).
Die größte Gefahr für Judentum wie Christentum droht von innen: durch die Verweigerung des
Friedens. Judentum und Christentum sind reine Friedensreligionen. Das dreifache Liebesgebot
zielt auf dreifachen Frieden: mit Gott, der Umwelt und uns selbst. Die Relativierung dieser
Direktive ist lähmendes Gift für die jüdische wie auch die christliche Gemeinde
(Evangelium Lk 19,41-44).
Die Geduld der Liebe kommt letztlich zum Ziel: Gott hat beschlossen, sich aller zu erbarmen.
Lieblose definitive Ausgrenzungen zwischen „echten“ und „falschen“ Juden oder Christen
entsprechen nicht Gottes Plan. Der Richtgeist solcher Vorentscheidungen dient nicht
dem Frieden. Aus der Perspektive der Liebe ist das „Nicht“ ein „Noch-nicht“. Gottes
Wesen ist Erbarmen. Nicht nur ein Teil Israels, der gottergebene, soll gerettet werden,
sondern das ganze Israel. Nicht nur ein Teil der Opfer des Holocaust soll auferstehen,
sondern, Hesekiels Vision gemäß, das ganze gemordete Israel. Liebe ist, wenn sie denn
Liebe ist, immer rettend und gewinnend (Rö 11,25-33; 2Kö 8,1-11).
Die erbarmende, rettende, gewinnende, vertrauende, hoffende, friedfertige Liebe duldet keinen
Kompromiss mit dem Bösen. Böse ist noch nicht unbedingt das, was den Frieden verhindert,
aber böse ist das, was ihn zerstört. Nicht die Menschen selbst sind böse, aber einige
ihrer Haltungen und Handlungen. Die böse Haltung verweigert jedes Lernen, das nicht der
eigenen Habsucht dient. Das ist wirklich eine Sucht, die den Charakter verändert: Alles
muss sich der Gier unterordnen. Um ihrer selbst willen widersteht dem die Liebe
unerbittlich und mit Nachdruck. Darum setzt Jesus zu Beginn seiner Tätigkeit das
Zeichen der Tempelreinigung (Joh 2,13-22; Jer 7,1-11).
Die Einheit des jüdischen und christlichen Glaubens unter dem Liebesgebot ist zugleich
die Einheit eines frohen und befreiten Glaubens. Das gesetzlich Enge entzweit. Es ist
verheißen, dass es überwunden werden soll. Gottes erbarmendes Wesen soll alle Glaubenden
erfassen, so wie es jetzt schon alle geduldig umfasst (Rö 9, 1-5.31-10,1-4).
Vorschläge zur Vertiefung
- Wenn Sie an das Alte Testament denken: Welche Vorstellungen kommen Ihnen in den Sinn? Was bedeuten Sie für Ihren
persönlichen Glauben?
- Wenn Sie an die gemeinsame Zukunft des Judentums und des Christentums denken: Welche
Vision entsteht
vor Ihrem inneren Auge?
- Wenn Sie sich vorstellen, dass die Gemeinschaft der Christenheit wirklich nur noch vom
dreifachen Liebesgebot bestimmt würde:
Welches Bild entsteht da in Ihnen?
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