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Dienstag:
Genesis 50,15-21
Sie lügen sich etwas zurecht, weil sie Angst haben. Aber auch jetzt kommt wieder etwas
Gutes dabei heraus. „Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es
gut zu machen“. Gott schreibt auf krummen Linien gerade. Er könnte sonst gar nicht
seine Ziele mit uns Menschen verwirklichen. Gott ist kompromissfähig. Er macht das
Beste aus unseren Gegebenheiten. Joseph scheint das verstanden zu haben. Darum hat
sich seine Lebenseinstellung von narzisstischer Arroganz, die man ihm, dem einstigen
Papasöhnchen, wohl unterstellen kann, zu Achtung, Mitgefühl und Barmherzigkeit
gewandelt. Darum lässt er sich nicht vom zwiespältigen Verhalten der Brüder, das
ja recht deutlich auch in ihrer anbiedernden Unterwürfigkeit zum Ausdruck kommt,
beeindrucken, sondern er blickt tiefer, sieht ihre Not und lässt sich bewegen
dadurch. Darin liegt die eigentliche Würde seines Vergebens hier und jetzt.
Sie dürfen sich so unaufrichtig verhalten, wie sie es nun einmal gerade tun,
sie können wohl nicht anders. Es ist ihr Armutszeugnis, aber Joseph empört
sich nicht darüber, weil er sie annimmt, wie sie sind. Er hält nicht fest
am Idealanspruch. Er gibt ihnen eine Chance, er gibt ihnen Hoffnung, er
bleibt frei, ihnen zu dienen.
Diese selbstverleugnende Großzügigkeit bedarf aber eines starken Fundaments.
Aus dem Narzissmus ist Selbstbewusstsein geworden. Joseph hat ein großes
Bedürfnis nach guter Beziehung zu seinen Brüdern, aber er ist in keiner
Weise abhängig von ihnen, innerlich nicht und äußerlich nicht. Er ist
ein souveräner Souverän. In dieser Haltung und in dieser Macht kann
er sehr viel Gutes tun.
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