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Samstag: Wochenspruch
Das Bild dieses Spruchs ist der Sonnenaufgang. So wie die Sonne am Morgen begegnet uns Gott.
Die Herrlichkeit Gottes ist sein Lichtschein. Wir können nicht unmittelbar in die Sonne
schauen,
denn ihr Licht würde uns blenden. Sie ist da, und wenn es Tag geworden ist, dann ist
sie allgegenwärtig. Und trotzdem ist sie sehr weit weg und muss es sein, und obwohl
sie bei blauem Himmel majestätisch unverhüllt am Himmel steht, können wir nur ihren
Schein aufnehmen. Nur so belebt und beglückt uns die Sonne. Kommt sie uns zu nah, so
zerstört sie uns.
Es gibt also keine unmittelbare Gottesbegegnung für uns Menschen, und immer dort,
wo es so scheint, als würden wir direkt in sein Licht blicken, nähert sich diese
Erfahrung der Unerträglichkeit an. Das ist es, was man gemeinhin die „Heiligkeit“
Gottes nennt.
Wenn es aber keine unmittelbare Gottesschau geben kann, dann ist alles mittelbar
Gegebene interpretationsbedürftig. Jedes Interpretieren ist ein Mühen um Wahrheit,
das die einen ernster und die anderen weniger ernst nehmen, nie aber führt es
zum Besitz der Wahrheit.
Davon redet der zweite Aspekt des Sonnenbildes: Sie geht auf. Anders wird uns
göttliche Erleuchtung nicht zuteil. Das heißt immer: Es ist ein unabgeschlossener
Prozess. Uns geht ein Licht auf, aber es bleibt auch noch vieles im Dunkeln.
Wir bleiben immer unterwegs. Er habe es noch nicht ergriffen, aber er strecke
sich danach aus, sagt Paulus (Phil 3). Unser theologisches Wissen sei Stückwerk,
wir erkennen das Licht der göttlichen Wahrheit nur undeutlich wie in einem
schlechten Spiegel - deutungsbedürftig eben (1Kor 13).
Wir haben nicht, wir suchen. Indem wir suchen, finden wir auch. Und weil wir
finden, suchen wir weiter. Andere suchen auch und finden Anderes. So geht uns
miteinander die Sonne auf.
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