Vorletzter Sonntag nach Trinitatis
Leitmotiv: Das letzte Gericht
Wochenspruch: „Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.“ 2. Korinther 5,10




Predigt
zum Text
Samstag: Wochenspruch

Der „Richterstuhl Christi“ ist die letzte Instanz. Christus ist Gottes Mensch gewordene Liebe. Der Glaube an die Liebe ist identisch mit dem Glauben an Christus. Der „Richterstuhl Christi“ ist der Richterstuhl der Liebe.

Das Richten der Liebe ist pädagogisches Richten. Die Liebe richtet, indem sie ausrichtet, einrichtet, aufrichtet, zurichtet, nicht aber indem sie abrichtet und hinrichtet. Ihr Gericht geschieht im Offenbarwerden. Was offenbar wird, kommt ans Licht. Es wird transparent; Zusammenhänge klären sich, Verhalten wird verständlich, Motive nachvollziehbar. Im Licht der Liebe offenbar zu werden ist heilsam: es bringt zurecht. Die Liebe richtet barmherzig, nicht aus Unverständnis und schon gar nicht aus dem Vorurteil heraus, sie hat mit dem Richtgeist nichts gemeinsam. Aber die Liebe kann einen Menschen nur heilsam ausleuchten und in diesem Sinn auch erleuchten, wenn er selbst dazu bereit ist, offenbar zu werden. Die Liebe offenbart sich nur dem, der offenbar wird. An der Verweigerung von Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit scheitert die Liebe. Sie kann sich uns nur in Wahrheit offenbaren. Die Liebe tritt nie ohne die Wahrheit an uns heran, um uns ihr heilsames Licht zu schenken, wie auch die Wahrheit nie ohne die Liebe. Jede Liebe ohne Wahrheit ist keine echte Liebe, wie auch jede Wahrheit ohne Liebe keine echte Wahrheit ist. Liebe ohne Wahrheit ist eine Form von Begierde, Wahrheit ohne Liebe ist eine Form von Richtigkeit.

Dass wir offenbar werden müssen, ist kein moralischer Druck, sondern ein Glaubenssatz, der besagt: Es geht nicht anders, es läuft notwendig darauf hinaus. Der Satz ist logisch, denn ohne dieses Endziel bleiben Glaube und Liebe ohne Hoffnung. Die Hoffnung ist in der Trias der „göttlichen Tugenden“ die felsenfeste Zuversicht, dass die Liebe sich letztlich in der ganzen Menschheit wie auch in jedem Einzelnen durchsetzen wird. Keine Mauer der Lüge wird ihr für immer widerstehen.

Die Hoffnung bezieht sich auf das Diesseits wie auf das Jenseits. Sie ist gewiss, dass überall, wo die Liebe mit ihrer großen Geduld im Diesseits noch nicht ans Ziel kommt, sie ihr Werk nach dem Tod vollenden wird. Die Liebe ist stärker als der Tod.

Schrecklich kann dieser Gedanke nur für einen Menschen sein, der von ganzem Herzen die Lüge liebt und die Wahrheit hasst. Aber es ist fraglich, ob es einen solchen Menschen gibt, denn er wäre eigentlich kein Mensch, sondern ein Teufel.


E-Mail: info@isa-institut.de       Datum der letzten Änderung: 01.11.2020