Drittletzter Sonntag nach Trinitatis
Leitmotiv: Das Reich Gottes
Wochenspruch: „Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils.“ 2. Korinther 6,2



Mittwoch: Hiob 14,1-6

Dadurch ist nach Hiobs Einschätzung das Leben des Durchschnittsmenschen gekennzeichnet: Es ist eine Tagelöhnerexistenz mit viel Beunruhigendem und wenig Freude. Seiner Einschätzung nach geht es den meisten Menschen so. Nichts wünschen sie sich so sehr als endlich einmal Ruhe zu haben von der chronischen Mühsal.

Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage habe, sagt auch Jesus; Zusatzsorgen darüber hinaus können wir uns gern sparen. Der Zentnersack des täglichen Kreuzes genügt, welchen Sinn soll es haben, noch einen zweiten aufzuladen und vielleicht noch einen dritten und vierten dazu - am Ende gar ein Hiobsschicksal? Wie sollen wir einen Stress bewältigen, der unsere Tragfähigkeit übersteigt?

So erlebt Hiob die Religion: Sie entlastet nicht, sondern sie bedrückt noch weit über das hinaus, was ohnehin schon schwer genug ist, durch ihre Forderungen. Aber es ist keine Religion, die er einfach ablegen kann, weil sie nichts taugt. Er kann keine Distanz herstellen zwischen sich und dem Gott seines Herzens. Er findet keinen Zufluchtsort vor dem plagenden Gott. Es sind nicht nur die dummen Sprüche der menschlichen Vertreter seiner Religion, die ihm so zusetzen, es ist die untilgbare Überzeugung, es mit einem sehr persönlichen Gott zu tun zu haben, der von Augenblick zu Augenblick auf ihn einwirkt und zu ihm spricht: Fordernd, enttäuschend, verletzend, beängstigend, unablässig neue Not erzeugend. Es ist die sehr reale Erfahrung, dass sich der Gott, den er liebt und auf den er sich verlässt, teuflisch gegen ihn verhält.

In der Hiobserfahrung bleibt das Kommen des Reiches Gottes sogar dem Herzen des Glaubenden selbst verborgen. Der Christus in ihm ist ihm fremd, das Licht des Glaubens reine Finsternis. Der Docht des Glaubens glimmt nur noch, er leuchtet nicht - wenn Dochte nur noch glimmen, ist es völlig dunkel. Die Unerträglichkeit dieser Erfahrung besteht in der paradoxen, als vollkommen widersinnig empfundenden Forderung, die real wahrgenommene Finsternis dennoch als Licht deuten zu sollen.



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