22. Sonntag nach Trinitatis
Leitmotiv: Schuld und Vergebung
Wochenspruch: „Bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte.“
Psalm 130,4



Inhaltliche Zusammenfassung

Bei Gott ist die Vergebung, nicht bei uns Menschen (Wochenspruch Ps 130,4), weil wir nur befugt sind, die Qualität einzelner Verhaltensweisen von Menschen zu beurteilen, nicht aber den Menschen als Gesamtperson. Der Mensch sieht, was vor Augen ist, nur Gott kennt und versteht wirklich sein Herz.

Der Geist des Vergebens will uns leiten. Es ist der Geist der Barmherzigkeit. So wie die Wahrheit nicht ohne die Liebe wahr bleiben kann, so auch nicht die Gerechtigkeit ohne die Barmherzigkeit, denn dann wird Selbstgerechtigkeit und Rechthaberei daraus (Evangelium 18,21-35).

Wenn uns Barmherzigkeit und Liebe bestimmen, können wir großzügig mit den Mängeln unserer Mitmenschen umgehen, und wir schützen uns dadurch auch vor Bitterkeit und Groll gegen Gott, wenn er uns enttäuscht und wir ihn nicht mehr verstehen. Es ist der Schutzfilm der Dankbarkeit, der unserem Herzen den Raum gibt, sich auch unter widrigsten Umständen des Lebens zu freuen (Phil 1,3-11).

Jesus fordert uns nicht dazu auf, aus der erhabenen Position des Besserwissens heraus über die Sitten anderer Menschen zu wachen, sondern uns dort, wo wir selbst betroffen sind, konstruktiv zu verhalten, also weder einfach nachzugeben noch aggressiv zu eskalieren. Das erfordert Selbstvertrauen und Mut (Mt 18,15-20).

Die barmherzige Sichtweise ist realistisch, die unbarmherzige Gesamtverurteilung von Menschen ist unrealistisch. Paulus sagt sehr deutlich und an zentraler Stelle seiner Theologie, dass sogar er (bekanntlich hält er sich für den Primus unter den Sündern) keine Lust an der Sünde, sondern am Guten hat. Der Mensch leidet darunter, Böses zu tun, obwohl er stets das Gute will. Er ist versklavt unter eine fremde Macht. Das Evangelium sichert ihm zu, dass sein Widerstand gegen diese Macht Erfolg haben wird (Rö 7,14-25).

Vergebung und Rechtfertigung unterscheidet zwischen den destruktiven Verhaltensweisen und der Person, die sich so verhält. Gott hasst die Sünde, aber er liebt den Sünder. Vergebung und Rechtfertigung ist die vollkommene Akzeptanz eines Menschen als Person. Darin liegt die Freiheit und mit der Freiheit auch die Forderung an diese Person, sich nicht so zu verhalten, als müsste sie sich die Akzeptanz erst erwerben, sondern schlicht und einfach im Rahmen ihrer Möglichkeiten verantwortlich zu leben (Micha 6,6-8).

Gottes Grundakzeptanz ist der feste Boden, auf dem wir in wahrer Freiheit leben können. Wir müssen uns weder selbst rechtfertigen noch vermeintliche Rechtsansprüche auf Kosten anderer durchsetzen. Es ist so unnötig und unvernünftig wie freiwillig über Bord zu gehen, um mit den Wellen zu kämpfen, die gegen das sichere Schiff schlagen. Besonders in stürmischen Zeiten gilt es, in der Ruhe des Vertrauens zu bleiben und sich nicht von der Sorge zu destruktivem Aktivismus verleiten zu lassen (1Joh 2,7-17).

Vorschläge zur Vertiefung
  • Wo spüren Sie Widerstände gegen das Verzeihen in sich selbst? Wie wollen und werden Sie damit umgehen?
  • Meditieren Sie das Bild des sicheren Schiffs, auf dem sie vollkommen gegen die Wellen geschützt sind, oder eine ähnliche Metapher für Gottes Vergebung und Rechtfertigung.
  • Was heißt es für Sie, wirklich und ganz zur Ruhe zu kommen und in der Ruhe zu bleiben?



E-Mail: info@isa-institut.de       Datum der letzten Änderung: 01.11.2020