22. Sonntag nach Trinitatis
Leitmotiv: Schuld und Vergebung
Wochenspruch: „Bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte.“
Psalm 130,4



Sonntag: Matthäus 18,21-35  Evangelium

In der Sichtweise des barmherzigen Gottes ist vieles von dem, was wir unter Gerechtigkeit verstehen, ungerecht. Wie sich Wahrheit ohne Liebe zur Lüge pervertiert, so auch Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit. Und so wie die Liebe nicht nur eine Zutat der Wahrheit ist, sondern die Wahrheit nicht Wahrheit sein kann, ohne der Liebe gänzlich verpflichtet zu sein, ist auch die Gerechtigkeit nur gerecht, wenn sie sich ohne Vorbehalt der Barmherzigkeit verpflichtet weiß. Unsere übliche Selbstrechtfertigung dort, wo wir für scheinbare Gerechtigkeit gegen die Barmherzigkeit entscheiden, lautet: „Aber ich habe doch recht!“ Mit anderen Worten: „Aber das ist doch richtig!“. Einem Paragraphen zum Beispiel nach mag es richtig sein. Doch lassen sich mit diesem Argument alle möglichen Abscheulichkeiten begründen.

Unsere Rechthaberei trifft auf Gottes harten Widerstand - Gott sei Dank. Die Selbstverpflichtung Gottes auf Liebe und Barmherzigkeit ist alles andere als ein weiches Nachgeben gegen Lüge und Ungerechtigkeit. Und so auch nicht für uns: Das sentimentale Zurückweichen vor den rechthaberischen Auftritten anderer, das so häufig gepflegt wird, ist nicht barmherzig und gerecht, sondern unwahrhaftig und realitätsfern. Dieser Pseudobarmherzigkeit, die übrigens auch sehr rechthaberisch aufzutreten weiß, reicht es schon, dass die selbstgerechten Unrechttäter nur den Anschein erwecken, in irgendeiner Weise recht zu haben, um alle notwendige Kritik an ihnen ungerecht zu nennen.



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