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Sonntag:
Matthäus 18,21-35
Evangelium
In der Sichtweise des barmherzigen Gottes ist vieles von dem, was wir unter Gerechtigkeit
verstehen, ungerecht. Wie sich Wahrheit ohne Liebe zur Lüge pervertiert, so auch Gerechtigkeit
ohne Barmherzigkeit. Und so wie die Liebe nicht nur eine Zutat der Wahrheit ist, sondern die
Wahrheit nicht Wahrheit sein kann, ohne der Liebe gänzlich verpflichtet zu sein, ist auch
die Gerechtigkeit nur gerecht, wenn sie sich ohne Vorbehalt der Barmherzigkeit verpflichtet
weiß. Unsere übliche Selbstrechtfertigung dort, wo wir für scheinbare Gerechtigkeit gegen
die Barmherzigkeit entscheiden, lautet: „Aber ich habe doch recht!“ Mit anderen Worten:
„Aber das ist doch richtig!“. Einem Paragraphen zum Beispiel nach mag es richtig sein.
Doch lassen sich mit diesem Argument alle möglichen Abscheulichkeiten begründen.
Unsere Rechthaberei trifft auf Gottes harten Widerstand - Gott sei Dank. Die
Selbstverpflichtung Gottes auf Liebe und Barmherzigkeit ist alles andere als ein
weiches Nachgeben gegen Lüge und Ungerechtigkeit. Und so auch nicht für uns: Das
sentimentale Zurückweichen vor den rechthaberischen Auftritten anderer, das so
häufig gepflegt wird, ist nicht barmherzig und gerecht, sondern unwahrhaftig und
realitätsfern. Dieser Pseudobarmherzigkeit, die übrigens auch sehr rechthaberisch
aufzutreten weiß, reicht es schon, dass die selbstgerechten Unrechttäter nur den
Anschein erwecken, in irgendeiner Weise recht zu haben, um alle notwendige Kritik
an ihnen ungerecht zu nennen.
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