20. Sonntag nach Trinitatis
Leitmotiv: Die Ordnungen Gottes
Wochenspruch: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ Micha 6,8



Inhaltliche Zusammenfassung

Das Gebot Gottes sind die hier und heute für uns persönlich real gegebenen Entscheidungsmöglichkeiten zum Guten. In der Regel geht es dabei nicht um ein absolut Gutes, sondern um das relativ Bessere im Vergleich zur relativ schlechteren Lösung. Der Mut zu diesen Entscheidungen ist uns zugemutet. Wir sind damit nicht allein gelassen, weil Gott uns sein Wort gegeben haben, unsere Entscheidungen zu segnen, wenn wir entschlossen sind, seinen Willen zu tun (Wochenspruch Micha 6,8).

Die Frage, was die Liebe gebietet, stellt sich um so dringlicher, je näher uns die Menschen sind, auf die sie sich bezieht. Wir können schwerlich behaupten, das zu tun, was uns gesagt ist, wenn wir es auf Kosten dieser nächsten Menschen tun. Diese Umkehrung der Prioritäten ist aber kennzeichnend für den Pharisäismus: Er ist die Selbstverwirklichung durch den öffentlichen Glanz der scheinbar guten Tat unter Vernachlässigung des unscheinbaren Nächstliegenden (Evangelium Mk 10,2-9).

Das zu tun, was uns gesagt ist, bezeichnet die Bibel auch als „Heiligung“. Der Schlüssel zur Heiligung, ohne den sie gar nicht gelebt werden kann, ist die authentische Achtung für den Mitmenschen (1Thess 4,1-8).

Unser Herz ist geteilt, wenn es seiner Anfälligkeit für die Verführung zum Bösen erliegt. Geteilt ist es dann, weil es keinen Menschen gibt, der das Böse von Herzen will. Das darf axiomatisch behauptet werden, weil ein Wesen, das sich mit ganzem Herzen dem Bösen verpflichtet weiß, das Kriterium des Menschlichen nicht erfüllt: Es kann kein Mensch sein. Die Bosheit des menschlichen Herzens, auf die der Noahbund reagiert, ist darum ein empirisches Faktum, nicht aber ein ontologisches (seinsmäßiges). Der Mensch ist nicht böse, aber er verhält sich erfahrungsgemäß schon von früher Jugend an allzu oft böse, weil sich sein gutes Herz dazu verführen lässt (Gen 8,18-22).

Das gute Gebotene können wir im Hier und Heute nur tun, wenn wir unsere Ansprüche loslassen, dass dadurch unsere eigenen Vorstellungen verwirklicht werden müssten. Es kann und darf ganz anders kommen. Solche Enttäuschungen erleben wir als mitunter starke Belastungen: das Neue Testament sagt „Kreuz“ dazu. Wir bleiben nur in der Spur des Guten, wenn wir ehrlich bereit sind, unser tägliches Kreuz auf uns zu nehmen (1Kor 7,29-31).

Was Gott von uns will, ist uns in der Bibel deutlich gesagt: Das Menschliche. Es ist nicht identisch mit den jeweils herrschenden Gesetzen. Die besten Gesetze weisen eine relativ hohe Schnittfläche mit dem Gebot der Menschlichkeit auf, aber sie repräsentieren sie nicht, sie dienen ihr nur, indem sie ihr Wege zur Verfügung stellen und der Unmenschlichkeit gewisse Grenzen setzen. Das Problem des Pharisäismus ist die Verwechslung des Dienstcharakters der Gesetze mit dem Herrschaftscharakter des Liebesgebots (Mk 2,23-28).

Das Neue am Neuen Testament ist auch das Neue im Alten Testament. Es ist das immer Neue und Erneuernde, nämlich das Gebot der Liebe, das höher, wichtiger, stärker ist als alles Gesetz. Wenn das Neue Testament als Katalog von Gesetzen gelesen wird, ist es ein alter religiöser Hut, der die Welt nicht verändert, sondern sie mit den Mitteln der pharisäischen Arroganz übel knechtet (2Kor 3,2-9).

Vorschläge zur Vertiefung
  • Wenn uns gesagt ist, dass die Liebe geboten ist: Was bedeutet das für Sie, wenn Sie versuchen, es ohne jedes Wenn und Aber zu denken? Welche Menschen kommen Ihnen da in den Sinn, welche Ängste und Aversionen steigen da in Ihnen auf?
  • Was bedeutet es unter dieser Voraussetzung für Sie, mutig Grenzen Ihrer eigenen Gesetzlichkeit und Ihres eigenen Vorurteils zu überschreiten?
  • Was bedeutet für Sie das Liebesgebot in den nächsten Tagen ganz konkret? Was ist für Sie geboten, um in seiner Spur zu bleiben?



E-Mail: info@isa-institut.de       Datum der letzten Änderung: 18.10.2020