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Donnerstag:
Matthäus 6,1-4
Nicht die Krümel, die von den Tischen der Reichen fallen, die sich ein armer Lazarus
irgendwie ergattert, nur um zu überleben, sind das recht verstandene „Almosen“, nicht
Abspeisung, nicht gönnerhafte Gesten einer halbherzigen Hilfe, die doch gleich wieder
verpufft und den, der sie gibt, rein gar nichts kostet. Auch nicht Abhängigkeit, die
durch Verschuldung geschaffen wird, sondern echtes Abwenden von Not, ein Ab-armen
im ursprünglichen Wortsinn von Erbarmen: Ein Wegnehmen der Armut. Offenbar braucht
solches Handeln Diskretion, damit der Mensch in Not nicht beschämt wird und eben
doch in die Abhängigkeit des Helfers gerät, indem er moralisch in seiner Schuld bleibt.
Wahres Almosen ist eine Hilfe nicht von oben herab, sondern von unten herauf. Hilfe
von oben herab zementiert kranke und kränkende Herrschaftsverhältnisse, Hilfe von
unten herauf stärkt die Unabhängigkeit des Betroffenen, setzt ihn nach dem Maß
seiner Fähigkeiten in Stand, sein Potenzial zu entfalten, schafft Ausgleich
nach der Goldenen Regel. Echtes Almosen aus dem Geist des Erbarmens ist nicht
auf den Geber, sondern auf den Empfänger zentriert, darum passt es nicht,
wenn der Geber sich brüstet: sein Ruhm kann ja gar nicht Sinn des Handelns
sein, sondern das Wohlergehen des Nächsten. Er investiert in Menschlichkeit.
Er tut, wozu er berufen ist, indem er dient mit dem, was er hat, denn dazu
ist es ihm gegeben. Und mit seinem Dienst tut er nichts anderes als andere
instandzusetzen, es ebenso zu tun. Denn das Schlimmste an der Armut ist nicht
das Nicht-Haben, sondern das Nicht-Können: das Missverhältnis zwischen einem
Potenzial und der Möglichkeit, es umzusetzen.
Der Vater sieht ins Verborgene, er sieht die verborgene Not, das verborgene Potenzial,
und er sieht das Motiv des Helfens. Er sieht nicht untätig zu, sondern um den
Freigiebigen deutlich spürbar zu ermutigen. Das geht Reiche und Arme gleichermaßen
an. Beiden ist ja die Goldene Regel vorgegeben und beiden ist Segen versprochen,
wenn sie freigiebig sind. Darum ist die bitterarme Witwe, die ihre letzten
Pfennige gibt, damit geholfen werde, in den Augen Jesu ein leuchtendes Vorbild
der Haltung des Almosengebens, die er sucht.
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