12. Sonntag nach Trinitatis
Leitmotiv: Heilende Erneuerung
Wochenspruch: „Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.“ Jesaja 42,3



Inhaltliche Zusammenfassung

Der Keim des Anfangs, aus dem das Neue wird, ist sehr klein und schwach, wie ein Samenkorn in der Erde, das, wie Jesus sagt, sogar dort noch sterben muss, um den lebendigen Organismus zur Entfaltung gelangen zu lassen. Und der Weg von dort zu Frucht ist weit; vieles bleibt gänzlich unsichtbar, bis es endlich herangereift ist. Andere Bilder für diese Kraft im Schwachen sind das geknickte Rohr und der glimmende Docht (Wochenspruch Jes 42,3).

Aber auch die Frucht ist eher unscheinbar als spektakulär. Die größten Wunder sind nicht sensationelle Kraftwirkungen, durch welche die Naturgesetzlichkeit durchbrochen zu werden scheint, sondern die Veränderungen des Herzens, der lange Prozess des Reifens in der Liebe, an der Liebe, hin zur Liebe, das Aufgehen der inneren Augen und Ohren. In diesem Prozess wandelt sich der Mitmensch vom Objekt zum Gegenüber, dem wir von Angesicht zu Angesicht begegnen und der darum unser Ansehen gewinnt (Evangelium Mk 7,31-37; Mk 8,22-26).

Wenn auch unsere Ohnmacht Voraussetzung der Entstehung des Neuen ist und als vernünftige Reaktion auf die Erfahrung der Ohnmacht das Annehmen und Loslassen, ist doch Gott selbst nicht ohne Macht. Er setzt dem Bösen Grenzen, wenn auch der Verlauf dieser Grenzen sehr schmerzlich und enttäuschend anders ist, als wir es denken. Dennoch: Das Böse darf nicht immer weiter wüten, weder durch sein Handeln noch durch seine Duldung, die selbst böse ist. Gottes Begrenzung des Bösen schafft uns Raum zur Neubesinnung, um dem Bösen wirksamer als bisher zu widerstehen. Aber die Verantwortung dafür, das Böse zu überwinden, liegt bei uns selbst (Apg 9,1-20).

Heilung im biblischen Sinn ist ganzheitliche Erneuerung. Alle echte Innovation ist, so gesehen, ein Heilungsprozess. Jede Heilung intendiert, wenn sie wirklich heilsam ist, die Vermenschlichung des Menschen. Darum ist auch die Heilung von der politischen Tyrannei ein wesentliches Moment dieser Erneuerung (Jes 29,17-24).

Auch spektakuläre Heilungserfahrungen wie die des Gelähmten am Tempeltor (Apg 3,1-10) tragen, wenn sie heilsam sind, in sich den unspektakulären Kern eines noch größeren Wunders, der verstanden sein will, wenn die Zeichenhaftigkeit des Spektakulären dem Glauben wirklich dienen soll. In dieser Geschichte ist der Kern die Überwindung aller lähmenden Resignation durch die geistesgegenwärtige Aufgeschlossenheit für Veränderungswege auch und gerade dort, wo es sie definitiv nicht zu geben scheint.

Der Grund der Hoffnung auf Erneuerung ist das Ja Gottes zu uns Menschen. Sein Friede trägt uns mitsamt unserer Friedlosigkeit und erlaubt uns den immer neuen Anfang. Zu glauben bedeutet, sich freimütig auf diesen Boden der Tatsachen, das bedingungslose, ganz persönliche Geliebtsein und Gewolltsein, zu stellen. Nur von dorther gestaltete und entfaltete Theologie und Religiosität ist legitim, weil sie dem Leben dient. So ist sie Theologie des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe (1Kor 3,9-15).

Vorschläge zur Vertiefung
  • Neu werden... Welches Bild entsteht da vor Ihrem inneren Auge? Meditieren Sie diese Vorstellung.
  • Mit welchen scheinbar unüberwindlichen Grenzen sehen Sie sich selbst konfrontiert? Wie fühlt sich das an?
  • Viele Prozesse der Erneuerung finden im Unscheinbaren und sogar im Unsichtbaren statt. Begrabene Hoffnungen tragen in sich den Keim des neuen Anfangs. Spüren Sie diesen Überlegungen weiter nach.



E-Mail: info@isa-institut.de       Datum der letzten Änderung: 30.08.2020