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Donnerstag:
Johannes 9,1-12
Die Jünger betrachten das körperliche Gebrechen in der theologischen Tradition, die man
„Tun-Ergehen-Zusammenhang“ nennt. Jesus löst diesen Zusammenhang auf. Leiden wie dieses
sind keine Strafen Gottes, denen man sich tapfer zu beugen hat, sondern sie sind
Herausforderungen an uns, um etwas dagegen zu tun. Jesus schließt Jünger und Leser
in diese Herausforderung ein: „Wir müssen die Werke dessen wirken, der mich gesandt hat“.
Das ist ähnlich wie bei den Brotvermehrungen, wo Jesus ebenfalls von den Jüngern erwartet,
vor einer scheinbar unlösbaren Aufgabe nicht zu resignieren. Alles Leid, alle Not und
auch alle Schuld soll darin Sinn erhalten, dass wir, die Menschen, es als Aufgabe
verstehen, eine konstruktiv verändernde Antwort darauf zu geben. Jedes Minus ist
dazu da, durchkreuzt zum Plus zu werden.
Jesus deutet aber auch die Nacht an, „da niemand wirken kann“. Das lässt zunächst
an seine Passion denken, aber auch an alle Passionen dieser Art, in denen alle
Hoffnungen zerstört zu werden scheinen. In solchen Zeiten extremer Anfechtung
geht aller Sinn verloren. Die Vernichtung Jerusalems und das exzessive Blutbad,
das ihr vorausging, nur wenige Jahre nach diesen Worten, war auch so eine Nacht.
Jesus weinte über Jerusalem; er hätte so gern gehabt, dass es davor verschont
würde. Aber nach jeder Nacht kommt auch wieder ein neuer Morgen, und dann wird
aus dem, was nie geschehen durfte, die neue Aufgabe, dass es auch wirklich
nie wieder geschieht.
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