|
Inhaltliche Zusammenfassung
Glaube ist Vertrauen und Vertrauen ist immer ein Geschenk, das man nicht einfordern und
nicht künstlich erzeugen kann. Echtes und zuverlässiges Vertrauen zwischen Menschen oder
zwischen Menschen und Gott entsteht und wächst nur unter der Voraussetzung von Freiheit.
Weil Vertrauen nicht erzwungen werden kann, ist unsere Entscheidung, uns vertrauend auf
eine andere Person einzulassen, immer freiwillig (Wochenspruch Eph 2,8).
Wenn Jesus vom „Menschenfischen“ spricht, meint er einen Vorgang, der sich genau umgekehrt
wie der übliche Vorgang des Fischens vollzieht: Aus dem „Verschmachten“ (Mt 9,36) zurück
ins Lebenselement, wie ein Fisch, der aus dem Trockenen ins Wasser gerettet wird. Um
diese Art des „Fangens“ geht es in der christlichen Predigt. Ihr ist aufgegeben, ganz
auf manipulatorisches Ködern der Hörer zu verzichten. Das vollmächtige Predigen
geschieht aus dem inneren Muss heraus und gerade als solches unabhängig von Effekt
und oberflächlichem Erfolg. Oft scheint es sogar, wie an den alttestamentlichen
Propheten und Jesus selbst ersichtlich, alles andere als erfolgreich zu sein (Lk 5,1-11).
Im Mittelpunkt der Predigt des Evangeliums steht das überaus anstößige „Wort vom Kreuz“. Die
frohe Botschaft ist nicht wirklich frohe Botschaft ohne dieses Paradox. Echte Prophetie
meidet das Kreuz nicht, sondern sie beleuchtet es. Sie beleuchtet es so, dass die frohe
Botschaft in der Predigt vom Kreuz erkennbar wird. Das ist der Unterschied zur Sentimentalität
und Wichtigtuerei oberflächlicher Evangeliumsverkündigung, die Paulus unter den Aspekten der
Wundersucht und des eingebildeten Wissens, das sich „Weisheit“ nennt, zusammenfasst
(1Kor 1,18-25).
Die Predigt des Evangeliums, die das Kreuz nicht scheut, gilt den hörenden Ohren und den
sehenden Augen. Sie ist eine kontemplative Hinführung zum Schauen. Im Schauen tritt das
Reden ganz zurück und es ereignet sich Begegnung mit dem Geheimnis des Lebens. In dieser
Weise schildert Johannes die ersten Jüngerberufungen (Joh 1,35-42).
Die Abrahamsgeschichte zeigt, dass die Lebensmitte im Prozess der Berufungsverwirklichung
entscheidende Bedeutung haben kann. In der Krisenerfahrung dieser Phase stellt sich entweder
die Weiche zu einer vertieften und noch radikaleren Bejahung der Berufung oder zu ihrer
Verleugnung. Abraham hört auf das Reden Gottes und findet darum zur Erfüllung seiner
Berufung. Das gibt seinem Leben tiefen Sinn (Gen 12,1-4).
Nachfolge Jesu ist radikale Freiheit. Das, was „man“ zu tun und zu lassen hat, verliert
dadurch seinen verbindlichen Anspruch. Es geht darum, ob wir uns für den Daseinsmodus
des Seins oder den des Habens entscheiden. Ersterer definiert sich vom Loslassen her,
Letzterer vom Festhalten. Das Festhalten sind, mit Kierkegaard gesprochen, die
verzweifelten Bemühungen, verzweifelt man selbst oder verzweifelt nicht man selbst
sein zu wollen. Das sind die Bemühungen der Selbstsucht. Dem, der zu sich selbst
gekommen ist, der sich selbst gefunden hat, der sich selbst annimmt, wie er ist,
mitsamt den Lebensumständen, in denen er sich befindet, genügt das Dasein im Hier
und Jetzt. Er lässt sich nicht von der Sorge beherrschen (Lk 14,25-33).
Nachfolge ist nicht nur Freiheit, sondern auch Vertrauen. Vertrauen wiederum entsteht
und wächst nur in Freiheit und hat befreiende Wirkung. Man wird wohl kaum überhaupt
von „Nachfolge Christi“ sprechen können, wo nicht Vertrauen und Freiheit überzeugend
dominieren. Man wird aber überall dort, wo das der Fall ist, zumindest eine große Nähe
zur Nachfolge Christi festellen können. Den Gegensatz dazu bilden „Falschheit und Bosheit“.
Diese Art der Lebensausrichtung ist von Misstrauen und Knechtung bestimmt (2Thess 3,1-5).
Vorschläge zur Vertiefung
- Meditieren Sie den Zusammenhang von Freiheit und Vertrauen. Was bedeutet das
für Sie persönlich?
- Meditieren Sie den Zusammenhang von Kreuz und Evangelium. Bleiben Sie dabei ganz auf der
Ebene des stillen Betrachtens; verzichten Sie auf dogmatische Richtigkeiten. Was ist jetzt
für Sie persönlich Anstoß dabei? Was wird da also bei Ihnen in Bewegung gesetzt? Folgen
Sie dieser Spur.
- Woran wollen Sie gern festhalten, weil die Sorge es Ihnen empfiehlt? Was würde Loslassen
an diesem Punkt für Sie bedeuten? Was würde daraus folgen?
|
|