3. Sonntag nach Trinitatis
Leitmotiv: Gott nimmt uns an
Wochenspruch: „Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“ Lukas 19,10



Predigt
zum Text
Dienstag: Lukas 15,11-32

Es gibt nur diese beiden Varianten der Gottesbeziehung: Die pharisäische Arroganz und das Verlorensein. Beide sind Erscheinungsweisen der Gottesentfremdung und somit der Sünde, weil Sünde ihrer Kernbedeutung nach Gottesentfremdung ist. Gottesentfremdung ist Misstrauen gegen Gott. Das Problem der Sünde ist das Problem des Misstrauens.

Kierkegaard hat die Grundverfassung des Menschen in der Gottesentfremdung ebenfalls nach zwei Richtungen hin entfaltet: Verzweifelt man selbst sein zu wollen und verzweifelt nicht man selbst sein zu wollen. Verzweifelt sind diese Bemühungen nicht, weil es dem Menschen um sich selbst geht, sondern weil er in sich gespalten ist: Er sucht nach dem Vertrauenswürdigen, aber er misstraut zugleich Gott.

Der jüngere Sohn im Gleichnis sucht verzweifelt, er selbst zu sein, der ältere, nicht er selbst zu sein. Der jüngere ist somit Symbolgestalt übersteigerter Selbstverwirklichung, der ältere Symbolgestalt übersteigerter Selbstverleugnung. Beide erliegen dem Irrtum des Misstrauens gegen den Vater. Beide Typen glauben nicht an den Liebegott, sondern an den Angstgott. Beide folgen der Stimme des Zweifels: „Sollte Gott gesagt haben...?“ Diese Frage zieht das tatsächlich Gesagte in Zweifel, verzerrt es zur Lüge. Ihr Ergebnis ist die falsche Behauptung, Gott habe nicht gesagt, was er gesagt hat. Es stecke etwas anderes dahinter. Es klinge zwar schön und gut, was er gesagt hat, aber es sei nicht so gemeint.

Der Dialog zwischen Schlange und Mensch im Garten Eden ist sozusagen das erste theologische Gespräch. Hier ist Theologie nicht Lehre von Gott, sondern Lehre über Gott. Solche Theologie pflegt und hegt nicht das Vertrauen, sondern den Zweifel. So ist jegliche Theologie, die Gott problematisiert. Die Voraussetzung des Problematisierens Gottes ist die Vergegenständlichung Gottes: Wir suchen den vermeintlich „gesunden“ Abstand zu ihm, um ihn zu begreifen. Aber dieser Abstand ist die Entfremdung. Die nachbiblische Theologie beschäftigt sich außerordentlich viel mit dem Problematisieren. Sie ist zu großen Teilen aber-gläubisch: Sie hält es für heiligen Ernst, jeden Gedanken des Vertrauens durch ein starkes „Aber“ in Zweifel zu ziehen. Im Brennpunkt dieses Aberglaubens steht die Liebe. „Gott ist die reine Liebe“, sagt Johannes, weil er Jesus zugehört hat. „Ja, aber...“ pflegt die überernste Theologie des Zweifels zu sagen und dabei stets warnend den großen moralischen Zeigefinger zu erheben.



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