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Freitag:
Offenbarung 15,2-4
Etwas „wie ein gläsernes Meer, mit Feuer vermengt“, ist etwas, das hell glänzt und funkelt.
Glas mit Feuer vermengt zu denken lässt das Bild eines Juwels entstehen. Dort sind die
Überwinder; sie selbst sind wohl gar nicht von diesem Juwel zu trennen, das den ganzen
Horizont einnimmt, sie selbst sind in diesem Glanz und sie sind Teil des Glanzes, wie
die Figuren eines Kirchenfensters heben sie sich zwar ab in ihrer Individualität und
gehen dennoch darin auf. Gott ist alles in allem und alles ist von seiner Herrlichkeit
erfüllt.
Diese Vision ist ein Bild in sich und kann wohl nur so verstanden werden, wie ein
Kunstwerk nur als Ganzes in seinem Eindruck. Die Einzelheiten zu deuten kann helfen,
um sich noch mehr hineinzuschauen, vorausgesetzt, es geschieht vorsichtig genug,
es aber aus den Einzelheiten heraus zu erklären, um es systematisch theologisch
einzuordnen, wie es die Bibelkommentare tun, verzerrt und entstellt seinen Ausdruck,
verhindert den Eindruck, lässt den Betrachter unberührt. Das geht genauso am
Sinn des Bildes vorbei wie das sentimentale Gegenstück kitschiger Abbildungen
des Buchstäblichen, die tatsächlich ein großes Harfenensemble von Hybridwesen
aus Engelhaftigkeit und Menschlichkeit in weißen Nachthemden am Ufer eines
Meeres zeigen, um nur ja ganz bibeltreu zu sein. Weder durch dieses noch durch
jenes löst sich das Siegel des Geheimnisses.
Es löst sich nur künstlerisch. Johannes beschreibt seine Vision so wie ein Maler
mit ersten Strichen einer Skizze die seine. Es ist kein gläsernes Meer, es ist wie
ein gläsernes Meer. Das „wie“ ist entscheidend. Die Skizze weist auf das Wesen des
Geschauten hin, sie deutet es an, aber sie bildet es nicht ab und es steckt auch
nicht in ihr wie ein Rätsel. Es lässt sich weder nachbilden noch lässt es sich
erklären. Es lässt sich nur schauend empfangen und bezeugen.
Immer dort, wo sich dieses Empfangen und Bezeugen ereignet, entsteht Kunst. Der
Klang dieses vollendeten Chores am gläsernen Meer offenbart sich uns nur, wenn
wir ihn hören und über das Hören selbst in Schwung geraten, klingend und singend.
Das ist Inspiration. So entsteht alle Kunst und alles wahre, gesunde und natürliche
Wachsen der Menschlichkeit, denn alles Wachstum dieser Art ist inspiriert.
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