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Jubilate
Leitmotiv: Die neue Schöpfung
Wochenspruch: „Ist jemand in Christus,
so ist er eine neue Kreatur.
Das Alte ist vergangen,
siehe, Neues ist geworden.“ 2. Korinther 5,17 |
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Dienstag:
Johannes 16,16-23
Johannes liegt offenbar daran, die Verstehensprobleme der Jünger so authentisch wie möglich
darzustellen. Der Abschnitt liest sich fast wie ein Live-Mitschnitt aus diesem letzten
Gespräch Jesu mit seinen Jüngern vor der Kreuzigung. Die Jünger bleiben hängen an dem
Ausdruck „noch eine kleine Weile“. Sie hören Jesus nicht mehr zu, sondern fangen
untereinander zu diskutieren an, was das wohl zu bedeuten hat. Jesus geht auf sie
ein, hört seinerseits zu, um sie zu verstehen. Als er dadurch ihre Aufmerksamkeit
wieder gewonnen hat, kann er sich selbst noch besser verständlich machen: Die
„kleine Weile“ ist eine schwere Zeit, die den Jüngern bevorsteht. Aber das Schwere
hat Sinn, denn es gleicht einem Geburtsvorgang. Es wird sehr dunkel um sie werden
und der Schmerz wird groß sein. Wenn aber das Kind geboren ist, wird alles gut sein
und nur noch Freude herrschen.
Es empfiehlt sich, auch noch die nächsten Verse zu lesen: Jesus kündigt an, dass
die Zeit kommen wird, wo er nicht mehr in Bildern zu ihnen sprechen wird, sondern
„frei heraus“. Wieder verstehen ihn die Jünger nicht. Darum antworten sie: „Siehe,
nun redest du frei heraus und nicht mehr in Bildern.“ Das hätten sie gern -
der Wunsch ist Vater ihres Gedankens. Das ist typisch für alle Bibelauslegung,
die das Geheimnis des Evangeliums mit einem Rätsel verwechselt. Für Rätsel
gibt es auflösende Erklärungen, aber Geheimnisse lassen sich nicht erklären,
sondern nur betrachten und erlauschen. Dadurch reift Verstehen, weil sich ein
Dialog einstellt zwischen dem Geheimnis und uns. Das lässt sich auch in Worte
fassen, aber diese Worte erklären nicht, sondern sie bezeugen eine Erfahrung
des Herzens, eine Begegnung der Liebe. Darum finden diese Worte ihren reinsten
Klang in der Kunst. Alle wahre Kunst bezeugt Geheimnisse.
Die Jünger machen sich ein Bild von der Bildrede Jesu, die auch Bildrede bleibt,
als er von der Geburt spricht; keineswegs redet er da „frei heraus“. Wir machen
uns immer ein Bild von dem, was wir hören. Sich ein Bild machen heißt: sich eine
Vorstellung machen. Wenn es um das Geheimnis des Glaubens geht, kann dieses Bild
aber nur angemessen sein und darin das Verstehen vertiefen, wenn das Geheimnis
nicht angetastet wird. Wir tasten es an, wenn wir zu erklären versuchen, was
nicht zu erklären ist. Ein Kunstwerk fängt von seinem Geheimnis zu sprechen
an, wenn wir es einfach nur still betrachten und belauschen, unter Verzicht
auf alles Erklären. Anders erschließt sich uns auch das Geheimnis des Glaubens
nicht.
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