Predigten
zum Karfreitag
Karfreitag:
„Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle,
die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Joh 3,16
„Also“ heißt „so sehr“ und „eingeboren“ meint „einzig“. Gott hat an seinem Sohn die Tötung
vollzogen, die er in der dunklen Geschichte der Isaakopferung zunächst von Abraham verlangt,
dann aber verhindert hat. Hätte Abraham Isaak geschlachtet, wäre das ein grässlicher kultischer
Mord gewesen. Es ziemt sich nicht, ethische Maßstäbe, die unter uns Menschen notwendig und
verbindlich sind, auf Gott zu übertragen. Wenn Gott seinen göttlichen Sohn tötet, handelt
es sich um etwas qualitativ anderes, als wenn ein Mensch seinen Mitmenschen umbringt.
Dennoch ist dieser Gottessohn durch und durch Mensch und der Jesus, der an das Kreuz
genagelt gottverlassen stirbt, durchleidet die Qual ganz und gar als Mensch. Darum bleibt
der Vergleichspunkt mit der Isaakopferung durchaus erhalten: Auf Golgatha lässt der göttliche
Vater seinen menschlichen Sohn auf die grausamste Weise hinrichten.
Johannes sagt, dass diese Tötung Gottes Geschenk an die Welt ist, um ihr seine Liebe
zu beweisen. Indem wir die Liebe in der Opferung Jesu erkennen, findet unser Glaube
den Anker, der so sicher greift und hält, dass uns nichts mehr von dieser Liebe
trennen kann, kein Leid und keine Freude, so stark diese Macht auch sei. Die
übliche theologische Begründung dafür besagt, die Sünde jedes einzelnen Menschen
sei so schwer und schlimm, dass Gott keine andere Möglichkeit gehabt habe, uns vor
der ewigen Strafe in der Hölle zu bewahren, die sein gerechter Zorn uns eigentlich
antun müsste. Das wird gemeinhin unter „Versöhnung“ und „Erlösung“ verstanden.
Jesus habe die verdiente Höllenstrafe stellvertretend durch seinen Hinrichtungstod
auf sich genommen; weil Gott gnädig ist, belässt er es dabei, erweckt seinen Sohn
wieder von den Toten, vergibt jedem alle Sünden, der sich explizit zu seinem Sohn
bekennt, und gewährt ihm Zugang in den Himmel.
Das Problem bei dieser theologischen Vorstellung ist, dass wir sie mit unseren
menschlichen Vorstellungen von Liebe überhaupt nicht vereinbaren können. Das
Geheimnis der Liebe in der Passion Jesu bleibt uns völlig verschlossen, wenn
wir den Eintritt zu seinem Verständnis von sachlichen Gerechtigkeitserwägungen
erhoffen, die davon ausgehen, dass der allmächtige Gott einen sehr guten Grund
dafür hat, jedem einzelnen Menschen, also auch schon, wenn man konsequent ist,
jedem Neugeborenen und jedem geistig Behinderten, als ganzer Person so überaus
böse zu sein, dass er ihn auf ewig in die Hölle werfen wollte oder gar müsste.
Der Eintritt zum Verständnis kann sinnvoll nur und auschließlich durch die
Betrachtung Jesu geschehen. Nicht auf die theologische Begründung des Handelns
Gottes gilt es zu sehen, sondern auf Jesus allein. Die Liebe Gottes in der
Passion des Christus begegnet uns ausschließlich in ihm selbst. Jesus ist
nicht nur das Lamm Gottes, das der Welt Sünden trägt, sondern er ist der
eine wahre menschliche Gott selbst, nicht Gottmensch als Übermensch, sondern
nur Mensch, ganz und gar Gott als der eine, ganz und gar wahre Mensch.
Seine wahre menschliche Liebe ist die wahre Liebe Gottes.
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