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Judika
Leitmotiv: Die Bereitschaft zum Dienst
Wochenspruch: „Der Menschensohn ist nicht gekommen,
dass er sich dienen lasse,
sondern dass er diene und gebe sein Leben
zu einer Erlösung für viele.“
Matthäus 20,28 |
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Inhaltliche Zusammenfassung
Falsch verstanden besteht die christliche Dienstbereitschaft in einseitiger Opfermentalität.
Die Kirche als Leib Jesu findet ihr Wesen aber darin, Dienstgemeinschaft in Wechselseitigkeit
zu sein. Das Geben und Nehmen dieser Gemeinschaft steht wiederum unter dem Vorzeichen der
Sendung Jesu, sein Leben zum Dienst für die ganze Welt einzusetzen, damit diese Haltung
des gegenseitigen Füreinander-Daseins das Miteinander der Menschen mehr und mehr bestimmt.
Wenn im Neuen Testament in negativer Weise von „der Welt“ gesprochen wird, dann ist damit immer
der in dieser Welt dominierende Geist des Herrschens und Beherrschtwerdens gemeint, der im
Gegensatz zur Gesinnung des gegenseitigen Dienens steht.
Die Herrschsucht geht aus dem Drang hervor, etwas Besseres sein zu wollen. Wer unter diesen
Drang versklavt wird, hält sich andernfalls nicht für gut genug. Das Problem der Herrsucht
resultiert also aus dem Selbstwertproblem.
Die grundsätzliche Dienstbereitschaft führt die Nachfolger Jesu in Grenzsitutationen, die
das Prinzip des Gebens und Nehmens völlig in Frage stellen. Davon zeugen vor allem die
Texte Hb 5,5-7 und Gen 22, 1-13. Dann scheint Dienst nur noch im Opfer zu bestehen und
der Sinn des verlangten Opfers kann sogar verborgen bleiben. In solchen Lebenslagen
trotzdem Gott vertrauend loszulassen und die Grundhaltung nicht aufzugeben, ist
schwerste Anfechtung. Jesus hat sie selbst durchlitten. Im Alten Testament ist die
Glaubenserfahrung, dass der „Lohn“ für unsere Dienstbereitschaft in grausamsten
Zumutungen bestehen kann, nirgends klarer artikuliert wie in der Geschichte von
der Opferung Isaaks. Solche Erfahrungen stehen in krassem Widerspruch zur absolut
positiven Vorstellung des Gottes, dessen Wesen Barmherzigkeit und Liebe ist. Die
Unerträglichkeit des Widerspruchs kennzeichnet die Passion Jesu. Teilhabe am
Passionsweg Jesu ist Teilhabe an der Fassungslosigkeit seiner nächsten Mitmenschen
unter dem Kreuz. Sie symbolisieren das Standhalten angesichts des Unerträglichen
um der Liebe willen. Unsere Teilhabe an der Unerträglichkeit des Widerspruchs,
den wir mit Jesus als völlige Gottverlassenheit erfahren, stößt uns entweder in
tödliche Verzweiflung, weil wir darin erlebten Zorn Gottes nicht verkraften
können, oder sie nötigt uns, mitten im Extrem der Anfechtung den Blick auf den
einzig verbleibenden Beweis dafür zu heften, dass Gottes Wesen dennoch reine
Liebe ist: auf den gekreuzigten Menschensohn Jesus. Auf ihn reduziert und
konzentriert sich angesichts der wahren Gottverlassenheit alle Hoffnung, in
seinem Blick liegt aller Trost (Num 21, 4-9).
Das negative Gottesbild ist nicht nur die größte Anfechtung im Leiden, sondern auch die
schlimmste Versuchung, die Dienstgesinnung in Sucht zu pervertieren, zu herrschen und
beherrscht zu werden. Wer sich gegen das Vertrauen entscheidet, zahlt den Preis dafür,
zwanghaft kontrollieren zu müssen. Solche Kontrolle kann man ausüben, indem man selbst
Kontrollsysteme schafft oder indem man sich bestehenden einfügt. So regiert, im Gegensatz
zum Gottesreich der Freiheit, der Geist dieser Welt. Er ordnet grundsätzlich des Misstrauen
dem Vertrauen vor. Darum gibt es in seinen Systemen zwar sehr viel Unterordnung und
Sklavendienst, nicht aber die Freiwilligkeit des Dienens um der Liebe willen. Typisch
für diese Systeme ist, dass sie die Wahrheit von Liebe und Vertrauen lösen und Liebe
und Vertrauen im Namen der Wahrheit hinterfragen. Solche „Wahrheit“ kann nicht als
Wahrheit bestehen, sie entpuppt sich als schrecklichste Lüge, weil sie die Herrschaft
der Liebe und die Bestimmung des Menschen zur Liebe leugnet.
Die Systeme der Herrschsucht sind dogmatisch, starr und lebensfeindlich. Der Weg des
Dienens in der Christusnachfolge ist Bewegung in Freiheit und als solche Freiheitsbewegung.
Jedes Dogma prüft sie auf seine Diensttauglichkeit für Liebe und Erbarmen. Wer der
Freiheitsbewegung Christi angehört, ist darum in dieser Welt ein Fremder und Pilger.
Einerseits bedeutet das tatsächlich wahre Freiheit, andererseits aber auch Unverstandensein
und Anfeindung durch die Repräsentanten der Herrschaftssysteme (Joh 11,47-53; Hb 13,12-14).
Vorschläge zur Vertiefung
- Was bedeutet für Sie persönlich und konkret die Bereitschaft zum Dienst?
- Welche Erfahrungen machen Sie mit der Dienstbereitschaft - enttäuschende und erfreuliche?
- Was bedeutet für Sie persönlich der Dienst Jesu an Ihnen?
- Wie begegnen Sie selbst der Unerträglichkeit des Widerspruchs zwischen dem Angstgott
in der Gottverlassenheit und dem Liebegott des Trostes?
- Wie können und wollen Sie Menschen beistehen, die unter der Erfahrung
dieser Unerträglichkeit leiden?
- Was bedeutet der freiheitliche Dienstauftrag in der Nachfolge Christi für sie
im Blick auf Ihre gesellschaftliche Verantwortung?
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