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Judika
Leitmotiv: Die Bereitschaft zum Dienst
Wochenspruch: „Der Menschensohn ist nicht gekommen,
dass er sich dienen lasse,
sondern dass er diene und gebe sein Leben
zu einer Erlösung für viele.“
Matthäus 20,28 |
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Samstag:
Wochenspruch Matthäus 20,28
Exegetische Materialien
Was ist neutestamentlich unter "Dienst" zu verstehen?
1.) Als Jesus beim letzten Zusammensein mit seinen Jüngern ihnen die Füße gewaschen hatte,
sagte er: Ich habe euch ein Beispiel gegeben. So sollt ihr auch miteinander umgehen.
Normalerweise hatten Sklaven den Gästen die Füße zu waschen. Ein peinliches Versehen
des Gastgebers, bei dem sie eingkehrt waren: Der Sklave fehlte für die Dreckarbeit.
Die Jünger waren sich alle zu schade für so etwas. Jesus lehrte sie und uns: Seid
euch nicht zu schade für das, was notwendig ist und anderen gut tut. Überwindet die
Bequemlichkeit. Füße waschen - das mochten die Jünger nicht. Lieber wuschen sie anderen
den Kopf. Dann konnten sie sich groß und stark vorkommen.
2.) Allerdings: Man kann sich auch ganz klein und schwach gebärden, um durch die Hintertür an das
Gefühl von Größe und Stärke zu gelangen. Die List der Griechen, mit der sie Troja eroberten,
schien den Trojaner ein Geschenk des Himmels zu sein: Das trojanische Pferd. Mit Freude
nahmen sie es auf. Aber im Inneren des hölzernen Standbilds hatten sich die griechischen
Helden versteckt. Sie stiegen heimlich aus, öffneten die Tore von innen - und es war
um Troja geschehen. Gern benutzt auch die Selbstsucht ein trojanisches Pferd, um
heimlich zu ihren Zielen zu kommen. Sie nennt es Demut. In der Kommunikationspsychologie
spricht man von Täter-Opfer-Beziehungen: Der Täter braucht das Opfer - das Opfer aber
auch den Täter. So leben die beiden in einer unheilvollen Symbiose. Die Frau zum Beispiel,
die von ihrem alkoholkranken Mann wie der letzte Mensch behandelt wird, fügt sich
demütig in ihre Rolle und entschuldigt alles. Denn sie kennt seine Schwächen und
weiß sie auszunutzen. Auf subtile Weise rächt sie sich für seine Demütigungen und
treibt ihn dadurch tiefer in die Sucht hinein. Hat er sich zuletzt selber durch
die Flasche umgebracht? Oder sie, weil sie ihn ihre Verachtung spüren ließ und
ihre heimliche Überlegenheit? Und sie konnte sich noch als Märtyrer dabei fühlen
und wurde allseits als solcher bedauert.
3.) Das Wort für Demut im Griechischen des Neuen Testaments bedeutet „Dienstwilligkeit“: Ich
will dienen. Dazu muss ich mich fragen: Was ist das eigentlich? Sehr viel Demut dient
niemandem wirklich, außer dem, der sie zeigt, um in ihrem Schutz doch wieder Herrschaft
auszuüben. Gefühle können täuschen: Es ist zweifelhaft, dass demütig ist, wer sich
seiner hingebungsvollen Gefühle wegen so vorkommt. Demut braucht Verstand. Das meint
Paulus, wenn er im Philipperbrief schreibt, wir sollten gegeneinander so gesinnt
sein, wie es der Gemeinschaft in Jesus Christus entspricht: „Tut nichts aus
Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern
höher als sich selbst, und ein jeder sehe nicht auf das sein, sondern auch
auf das, was dem andern dient“ (Phil 2,4.5). Um in einer solchen Ge-sinnung
zu leben, muß ich mich be-sinnen: Worum soll es mir eigentlich gehen? Was soll
denn Vorrang haben? Wofür will ich eigentlich da sein?
4.) „Seht auf das, was dem anderen dient“ - was ihm wirklich dient. Viel Dienst geschieht
mehr
zum Vorteil des Dienenden als dessen, dem gedient wird: Der Dienende sieht mehr auf das Seine
als auf das, was dem andern dienlich ist. Nicht, dass er nicht guten Willens wäre. Aber er
kommt dabei nicht in die Welt des andern hinein. Er versteht nicht, was der andere gerade
tatsächlich braucht. Oft meinen Dienende dieser Art, das auch gar nicht zu können: Dienst
ist Dienst, sie sind doch auch nur ein Rädchen im Getriebe, was will man da machen? Der
andere soll doch froh sein, wenn es ihm nicht schlechter gibt. Routine und
Oberflächlichkeit bestimmen dann das Handeln. Auch das ist eine Weise zu dienen
- aber nicht so, dass der andere das bekommt, was ihm tatsächlich dient. Was dient
ihm denn? Das, was ihm wirklich zum Leben hilft. Das, was ihn aufleben lässt.
5.) Das Ja zum Dienst ist ein Ja zum Leben. Das Dienen dient dem Leben und nicht
umgekehrt. Wenn auf einem Grabstein steht: Arbeit und Mühe war sein Leben, dann
fürchte ich: Hier wurden Leben und Dienst vertauscht. Wir sollten nicht denken,
dass in unserer heutigen Gesellschaft nicht mehr gedient wird. Reden wir denn nicht
von der Dienst-Leistungs-Gesellschaft? Dieses Wort verrät alles: Gedient wird allerdings
- aber es geht dabei immer um eine Leistung. Und das ist nichts als das alte Lied mit
neuer Melodie. Es wird gedient, um zu ver-dienen. Es ist zweitrangig, ob darunter
finanzieller Verdienst oder andere Anerkennungen zu verstehen sind. Es geht hier
vielmehr darum, was im Vordergrund steht: Das Leben oder die Geltung. Muss ich
mir durch die Dienst-Leistung Anerkennung verschaffen? Wenn es so ist, dann
ist Wilhelm Löhes Diakonissenspruch Zeugnis der Ausnutzung: „Mein Lohn ist,
dass ich darf“. Dann ist solch ein Dienst schlicht eine sehr schlecht oder
gar nicht bezahlte Leistung - die man allerdings durch eine Art Märtyrergefühl
ganz gut kompensieren kann. Zum Beispiel so: Ich bin der Mensch, der sich
aufopfert, und was ich hier nicht bekomme, das hat Gott mir in der Herrlichkeit
um so mehr auszuzahlen: Gott steht in meiner Schuld, weil ich so fleißig diene.
Dienst als Leistung kommt nicht ohne den Verdienst-Gedanken aus. Wenn aber
das Leben allein Thema meines Dienens ist, dann ist der Spruch Ausdruck
einer unübertrefflichen Freiheit: Lohn? Kein Thema für mich, weil sich
das Leben lohnt. Opfer und Entbehrung? Warum? Sinn und Erfüllung! Ich
werde gebraucht! Ich erlebe, dass ich für andere wichtig bin. Ich kann
meine Gaben sinnvoll einsetzen. Ich kann etwas bewirken. Ich erlebe
etwas von der Kraft der Liebe. Und so darf ich im Namen Jesu leben:
Er steht zu mir, er geht mit mir. Was will ich mehr?
Text: H.A. Willberg 1997
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