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Sonntag:
Lukas 9,57-62
Evangelium
Das ist extrem provokativ. Warum sagt Jesus das so? Jedenfalls will er deutlich machen, dass
der Weg zur wahren Menschlichkeit in Gottes Reich ein immerwährendes Unterwegssein ist, ein
unaufhörlicher Prozess also. Das Unterwegssein hat seinen Preis: Es lässt uns nicht heimisch
sein in unserer Natur. Der Preis lohnt sich aber, denn der Gewinn ist Freiheit. Wer diesen
Weg beschreitet, ist wahrhaft unabhängig. Er steht auch über den Mechanismen seiner
eigenen Natur. Er ist in der Lage, sich selbst zu verleugnen. Wir dürfen nicht darüber
hinweglesen, dass Jesus das Leben des „Menschensohns“ mit dem Leben von Tieren
kontrastiert. Die Freiheit der Füchse und Vögel besteht darin, dass sich ihr
biopsychischer Organismus in artgerechter Weise entfalten kann. Das ist beim
Menschen ebenso, aber es vollzieht sich anders. Das Artgerechte des menschlichen
Lebens besteht in jener Unabhängigkeit, um höherer Werte willen das Biopsychische
zurückzustellen.
Jesus ist offenbar davon überzeugt, dass die Menschheit nur auf diese Weise
vorankommt, was bedeutet: Ihre Bestimmung erlangt, die darin liegt, dass der
Mensch menschlich wird. Die Provokation des Textes hat wohl in dieser Hinsicht
therapeutischen Sinn: Dass unsere Freiheit authentisch wird. In dieser Freiheit
können wir uns dann wieder, aus echter Rücksichtnahme, nicht aber weil wir
gebunden sind, auf vorgegebene Ordnungen des menschlichen Miteinanders einlassen,
ja, wir sind sogar berufen dazu. Aber eben nur in dieser ehrlichen, echten und
vollständigen Freiheit.
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