|
Reminiszere
Leitmotiv: Unsere Gottesbeziehung
Wochenspruch: „Gott erweist seine Liebe zu uns darin,
dass Christus für uns gestorben ist,
als wir noch Sünder waren.“ Römer 5,8 |
|
Freitag:
Hebräer 11,8-10
So ist die paradoxe Dynamik des Glaubens. Man kann auch sagen: seine Dialektik. Der Glaube
erreicht seine Ziele als „feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln
an dem, was man nicht sieht“, wie im ersten Vers des Kapitels steht, dem einige Beispiele
dafür folgen, unter anderem das von Abraham und Sara. Der Glaube kommt also voran auf
seine Ziele zu, indem er in einen Zustand des Nichtsehens geführt wird. Das Nichtsehen
ist nicht einfach nur ein Noch-nicht-Sehen, sondern es ist Anfechtung, weil wir im
Nichtsehen das Gegenteil von dem sehen, was wir hoffen. Wir erleben uns als „Fremdlinge
im verheißenen Land“. Das heißt: Dort, wo wir eigentlich zuhause wären, erfahren wir
das Gegenteil von Zuhausesein, nämlich Fremde. Das erfahren wir sehr realistisch; wir
haben keine Anhaltspunkte dafür, dass wir es uns nur einbilden. Gerade dadurch, dass
wir das glaubend und hoffend aushalten, erschließt sich uns aber die Heimat in der
Fremde.
Diese Dialektik des Glaubens gilt zum einen für die Dynamik der Lebensbewältigung
schlechthin, also für jedes Persönlichkeitswachstum, für jedes nachhaltige Glück.
Immer geht es darum, im Vertrauen darauf, dass etwas Gutes daraus wird, und im
unbeirrten Blick auf dieses Gute, die dunklen Täler der gegenteiligen Erfahrung
auszuhalten, nicht passiv, sondern aktiv kämpfend um das Gute. Und es gilt
ebenso für das, wovon der Text spricht, nämlich für Krisen, deren Bewältigung
jenseits unserer Grenzen liegt, wenn zum Beispiel der Bauer sein Mögliches tut,
indem er rechtzeitig, geduldig und umsichtig sät und pflanzt, und nun den Regen
braucht, damit es wächst. Wenn dann der Regen ausbleibt, ist das sozusagen die
Anfechtung auf der höheren Stufe, wo wirklich nur noch Gott helfen kann.
Entscheidend am jüdisch-christlichen Glauben ist, dass Gott das nicht nur
kann, sondern auch will und wird, auch wenn alle Realität dagegen zu sprechen
scheint - weil Gott absolut menschenfreundlich und barmherzig ist.
Dass der Glaube in solchen Anfechtungen, die eindeutig zu beweisen scheinen, dass
die Verheißungen nur leeres frommes Geschwätz sind, heftigste Erschütterungen erfährt,
ist Teil dieser Dynamik. Das deutet der auf den Text folgende Vers an, indem er gerade
Sara unter dem Strich als wahres Vorbild der letztendlichen Unerschütterlichkeit
des Glaubens darstellt, obwohl die alttestamentliche Erzählung ihren Zweifel
offenbart, so wie Hiob im Jakobusbrief als wahres Vorbild der Geduld bezeichnet
wird, obwohl er verzweifelt und extrem wütend in der Anfechtung reagierte.
|
|