|
Sonntag:
Matthäus 4,1-11
Evangelium
Die Stimme des Teufels ist nicht die Stimme des Zweifels, sondern die scheinbar lösende
Antwort auf den Zweifel. Der Zweifel entsteht notwendig an der Grenze des Wissens. Dort
bieten sich Deutungsmöglichkeiten für das Unbekannte als neues Wissen, neue Erkenntnis
an. Wir machen uns einen Reim. Wir hören andere ihr Wissen behaupten. Aber wir wissen
nicht, ob diese Reime und diese Wissensansprüche wirklich Wissen sind. Nur als
Gewissheiten sind sie auch glaubwürdig. Diese Art des Nichtwissens ist der Zweifel.
Jesus zweifelt, Gottes Sohn zu sein, und weil er daran zweifelt, bezweifelt er auch
die Macht, seine Mission zu vollenden. Darauf gibt der Teufel lösende Antworten.
Er sät also nicht den Zweifel, sondern er sät Wissen. Er sät Wissen, indem er aus
der stärksten Gewissheitsquelle schöpft, die Jesus hat: Er zitiert die Heilige Schrift.
Jesus widersteht dem Teufel auf dem einzigen Weg, der tatsächlich zum Wissen führt. Es
ist der Weg der Dialektik. Dialektisches Denken ist dialogisches Denken. Ein echter
Dialog ist das konstruktive Gegenüber von unterschiedlichen Gesichtspunkten. Dialogisch
sind Überlegungen wie „Einerseits - andererseits“, „Sowohl als auch“ oder auch „Weder
noch“. Das dialektische Prinzip nimmt aufgestellte Behauptungen ernst, aber es fragt
immer auch nach ihrer Grenze, nach dem also, was dagegen spricht. Nicht selten ist
das, was dagegen spricht, so deutlich, dass die Behauptung sich ohne Weiteres als
Unsinn erweist. Manchmal wiederum scheint gar nichts dagegen zu sprechen. So
etwas nennen wir eine hohe Glaubwürdigkeit. Höchst glaubwürdig ist zum Beispiel,
dass zwei plus zwei vier ergibt.
Jesus führt keinen Dialog mit dem Teufel, denn der Teufel als „Vater der Lüge“ ist nicht
dialogfähig, sondern behauptet immer nur absolute Wahrheiten, denen man sich zu beugen
hat, um sich ihm selbst zu beugen. Jesus tritt nicht mit dem Teufel in Dialog - den
treibt er fort. Aber er tritt in den Dialog mit den scheinbaren Antworten der Heiligen
Schrift, die sich ihm bieten. Er nimmt diese Aussagen ernst, aber er fragt auch nach
ihren Grenzen und findet sie in anderen Aussagen, die im dialektischen Widerspruch
dazu stehen. Durch den Zusammenklang der Antworten und ihres Widerspruchs ergibt sich
erst die wahrhaftige Antwort.
Als der Teufel so nicht bei Jesus landen kann, zeigt er sich unverhüllt. Nun erst hat
sich alles für Jesus geklärt. Sein Widerstand vollendet sich - der Teufel flieht.
|
|