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Dienstag:
Lukas 17,7-10
Thema dieses Abschnitts ist die Pflicht. Jesus umfasst „alles, was uns befohlen ist“, mit
dem Begriff der Pflicht. Die christliche Ethik ist also Pflichtethik. Das verpflichtende
Befohlene ist wahrhaftige Liebe in Freiheit - freiwillig, aus freiem Willen. Und darum
ist die christliche Ethik gleichermaßen Verantwortungsethik. Darin ist das Neue Testament
eindeutig. Wenn ich aber das tue und lasse, wozu ich mich frei entscheide, dann bleibe
ich auch unabhängig von Lob und Tadel Anderer. Ich tue und lasse es nicht, um etwas davon
zu haben, indem die Andern mich belohnen, sondern weil ich es für das augenblicklich
Beste halte. Ich tue und lasse es um meiner selbst willen, um meines Gewissens willen.
Dann ist es zwar schön und wünschenswert, Anerkennung dafür zu erhalten, aber nicht
nötig. Es ist mir Lohn genug, selbstkongruent zu sein.
Es geht hier also nicht um die äußere Pflicht von Knechtschaftsverhältnissen,
sondern um die innere des Gewissens. Dass Jesus dafür das Beispiel eines geradezu
sklavischen Knechtschaftsverhältnisses heranzieht, ist herausfordernd. Man mag
einen entwürdigenden Kadavergehorsam herauslesen und so wird der Text auch oft
genug ausgelegt. Aber es ist typisch für Jesus, provokante Beispiele zu wählen.
Er provoziert, damit wir uns auseinandersetzen und differenzieren. Er reibt
uns sozusagen jene Auslegung unter die Nase; er bietet sie uns an, damit wir
sie prüfen. Das, was „alle machen“, nämlich so mit ihren Untergebenen umgehen,
sie wie selbstverständlich in Beschlag zu nehmen, ohne nach ihren Bedürfnissen
zu fragen und ohne auf die Idee zu kommen, ihnen Dank zu erstatten, entspricht
keineswegs dem jüdisch-christlichen Hauptgebot der Nächstenliebe. Die Knechte,
die Jesus hier vor Augen führt, sind Sklaven, Ausgebeutete im System einer
Herrenmoral, Ungleiche, auf deren Kosten sich andere ein schönes Leben machen.
Aber wir können auch unter sehr schweren Unrechtsverhältnissen innerlich frei
bleiben, unter entwürdigendsten Umständen die Würde wahren.
Meine freie Entscheidung muss mir also durchaus keinen Spaß machen. Nicht selten
ringe ich sie mir gegen meinen eigenen starken inneren Widerstand ab. Nicht selten
habe ich überhaupt keine Lust dazu und nicht selten bin ich aus gutem Grund
empört über erlittenes und mitgelittenes Unrecht. Aber es ist, wie es ist (vgl.
Text gestern): Das Christentum realisiert sich in leibhaftiger Selbstdisziplin
oder es findet nicht statt.
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