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Donnerstag:
Johannes 12,34-41
„Wer ist dieser Menschensohn?“ Genau das ist die Frage, nicht nur für die Menschen damals,
sondern auch für uns. Es ist bemerkenswert und typisch, dass Jesus ihnen und uns alles
andere als eine „klare“ Antwort darauf gibt. Was meint er denn, wenn er sagt, das Licht
sei noch „eine kleine Zeit“ bei ihnen? Die kurze Zeit bis zu seiner Kreuzigung? Vielleicht.
Wohl eher aber, und dadurch auch für uns bedeutsam, das Wesen der Wahrheitserkenntnis
überhaupt: Wissen lässt sich bis zu einem gewissen Grad konservieren, Wahrheit aber
nicht. Wahrheit ist nicht identisch mit Wissen. Wahrheit leuchtet auf und oft gerade
dann, wenn wir gar nicht damit rechnen. Das Aufleuchten vergeht wieder, wenn wir
ihm nicht aktiv nachspüren. Dadurch bekommen wir das Licht nicht zu fassen, aber
wir bleiben auf der Spur des Lichts, es leuchtet uns öfter und klarer auf, es
wird uns zum Leitstern, es führt uns der Morgendämmerung zu. So werden wir
„Kinder des Lichts“.
Nur dieses Nachspüren eröffnet uns das Geheimnis des „Menschen-sohns“. Jesus
setzt diesen Begriff neu, um nicht die alten Klischees vom Messias zu bedienen.
Es ist ja nicht so, dass diese Menschen die heiligen Schriften nicht kennen
und darum im Dunkeln bleiben. Vielmehr bleiben sie im Dunkeln, weil sie die
heiligen Schriften falsch deuten. Sie wollen dogmatisch erklären und festlegen,
was nur durch Verstehen erspürt werden kann, ohne es je in den Griff zu bekommen.
Ihnen geht es um die Sicherheiten des Richtigen, Jesus geht es um die
Lebendigkeit des Wahrhaftigen. Nur sie macht den Menschen menschlich.
Der Menschensohn, das ist der wahre Mensch.
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