Letzter Sonntag nach Epiphanias
Leitmotiv: Die Verklärung
Wochenspruch: „Über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.“ Jesaja 60,2




Predigt
zum Text
Dienstag: Exodus 3,1-14

Ein Naturphänomen wird für Mose der Einstieg zu einer tiefen mystischen Erfahrung mit außerordentlich weit reichender Wirkung. Mose geht hin, um die „wundersame Erscheinung zu besehen“. Er lässt sich also aus dem Schematismus seines Alltags herauslocken, Neues wahrzunehmen und zu entdecken. Der Schematismus besteht nicht nur aus gewohnten Abläufen, sondern auch aus eingeschliffenen Sichtweisen. Mose definiert sich in einem neuen sozialen Kontext als Schwiegersohn des Jitro und in der erfahrenen beruflichen Identität als Schafzüchter. Sein Horizont hat sich geschlossen. Er hat sich den Umständen gefügt. Er braucht keine Vision mehr. Mose erinnert sich, dass sie früher einmal sein Denken bestimmte, aber das ordnet er jetzt als einen Jugendtraum ein, der auf schlimmste Weise scheiterte. Es ist anzunehmen, dass er resigniert hat.

Dennoch brennt die Flamme des Glaubens an Freiheit und Gerechtigkeit unauslöschlich in seinem Herzen. Das Naturphänomen des brennenden Busches (in der Sinaiwüste gibt es ein sehr ölhaltiges Buschgewächs, das sich bei starker Hitze selbst entzünden kann) wird ihm zum Spiegel des eigenen Brennens; er wird sich des Feuers neu bewusst. In diesem heiligen Moment begreift er, dass sein Leben Zukunft hat, weil er berufen ist, der Flamme seines Herzens Raum zu geben. Sie treibt ihn zum Handeln.

In dieser mystischen Erfahrung findet Mose sich selbst. Seine Selbstfindung und seine Gottfindung sind identisch. Er findet sich selbst in Gott. Seine Gottfindung ist seine Sinnfindung. Der harte Bruch des Scheiterns hat seinen Lebenszusammenhang zerrissen und ihn ins Abseits geschleudert. Sinn ist die Wahrnehmung eines hoffnungsvollen Zusammenhangs. Der Sinn seines Lebens war ihm verloren gegangen. Aber hier entsteht er neu.

Darum nennt er seinen Gott den Sinngeber. „Ich werde sein, der ich sein werde“ bedeutet ja genau dieses: „Ich bin der sinnvolle Zusammenhang in deinem Leben, A und O, Anfang und Ziel. Ich bin die Rechtfertigung deines Daseins.“

Moses Gottesbegegnung am Dornbusch ähnelt sehr der Gottesbegegnung Hiobs im „Wettersturm“. Wie für Mose das Feuer ist für Hiob die Weite des Naturhorizonts, die sich im Gewitter demonstriert, der Spiegel seines eigenen weiten Horizonts. Deshalb verlässt Hiob die Enge des geschlossenen Systems seiner Anklage, das in sich selbst ganz logisch ist und ihm darum alle Hoffnung raubt. Auch Hiob kommt zu sich selbst, als er Gott im Wettersturm begegnet. Er wechselt seine Perspektive. Er findet ein neues Ja zum Leben und tritt hinaus und hinein in die Weite des Horizonts seines unverändert großen Schaffenspotenzials.



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