2. Sonntag nach Epiphanias
Leitmotiv: Die Freude des Glaubens
Wochenspruch: „Das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“ Johannes 1,17



Samstag: Wochenspruch

Das ist kein Gegensatz, sondern eine Ergänzung. Der Gedanke, das jüdische Alte und das christliche Neue Testament stünden sich dem Inhalt nach geradezu feindlich gegenüber, ist antisemitisch gefärbt und theologisch falsch, wie auch der Gedanke, das Alte Testament sei nur ein etwas kümmerlicher und ziemlich dunkler Beginn, dessen einziger Zweck in der prophetischen Anbahnung des Neuen liege. Mit solchen Annahmen wird auch verbunden, dass „Gesetz“ im alttestamentlichen Verständnis „Gesetzlichkeit“ meint. Aber Gesetz, Gnade und Wahrheit bilden miteinander die notwendige Einheit des jüdischen und des christlichen Glaubens. Einziger Unterschied ist, dass viele Juden Gnade und Wahrheit nicht im Neuen Testament und in der Person Jesus Christus suchen.

Auch das lässt sich aber nicht einfach zu Gunsten des Christentums auflösen. Im Judentum wird die erste Tafel des mosaischen Grundgesetzes ernster genommen als im Christentum. „Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine anderen Götter neben mir haben“ wird dort mit dem darauf folgenden Verbot, sich von Gott ein Bild zu machen, als Einheit gesehen. Wir dürfen nie vergessen, dass Jesus ganz und gar Jude war und nicht mit der Intention auftrat, das Christentum als eine neue Religion zu gründen. Seine Mission war die Erfüllung der prophetischen Verheißungen des Judentums. Und zu denen gehörte, dass alle Welt sich dem einen Gott der Juden zukehren würde. Insofern ist das Christentum aus der jesuanischen Perspektive nichts anderes als die Vollendung des Judentums - durchaus im Sinne und im Dienst des Judentums.

Überall, wo im Judentum also Gnade und Wahrheit zu finden ist, dürfen wir uns als Christen zuhause wissen. Dem christlichen Bekenntnis nach wird alle Gnade und Wahrheit durch Jesus Christus, das Judentum hingegen weist an dieser Stelle schweigend auf den Unaussprechlichen hin. Das steht nicht im Gegensatz, weil ja auch nach christlichem Verständnis die göttliche Gnade und Wahrheit nur in der Verhüllung menschlicher Gestalt zu uns kommt. Darum hat sich Jesus selbst auch nicht den Gottessohn, sondern den Menschensohn genannt und es immer dort, wo es um die Frage seiner göttlichen Herkunft ging, bei Andeutungen belassen.

Die Zuordnung von Gesetz, Gnade und Wahrheit bestimmt das Verhältnis unserer ethischen Eigenverantwortung zur vollendenden Kraft des Heiligen Geistes. Erstere ist die notwendige Wegbereitung für Letztere. Dabei geht es nicht um die viel gescholtene „Werkgerechtigkeit“, sondern um die Glaubwürdigkeit der jüdisch-christlichen Religion. Nicht von ungefähr hat gerade Jakobus, leiblicher Bruder Jesu, Leiter der urchristlichen Gemeinde und vorbildlich praktizierender Jude, in seinem Brief die Zusammengehörigkeit der beiden Aspekte so stark wie niemand sonst im Neuen Testament betont. Die Bedeutung der Eigenverantwortlichkeit im Verhältnis zum unsichtbaren, ungreifbaren und auch sehr oft unbegreifbaren Gott haben wir als Christen in Ehrfurcht von den Juden zu lernen. Christlich gesprochen meint das den Glauben, der nicht zweifelt an dem, was man nicht sieht.


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