2. Sonntag nach Epiphanias
Leitmotiv: Die Freude des Glaubens
Wochenspruch: „Das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“ Johannes 1,17



Freitag: Hebräer 12,12-22

Der Hebräerbrief ist hoch ambivalent. Er beinhaltet sowohl Frohbotschaft als Drohbotschaft. Das zeigt sich auch an diesem Abschnitt. Der Hebräerbrief ermutigt mit den schönsten Bildern zu Gottvertrauen und Menschenliebe und droht mit den schrecklichsten Strafen dem, der sich nicht darauf einlässt. Psychologisch lässt sich das nicht vereinigen, weil Angst und Vertrauen nicht kompatibel sind. Bei dem Gott, der ein „verzehrendes Feuer“ ist (Vers 29), kann sich kein Mensch geborgen fühlen.

Wir werden dem Brief kaum gerecht, wenn wir die Drohbotschaft abmildern. Wir sind aber auf der richtigen Spur, wenn wir ihn aus der Perspektive des ambivalenten Gottesbildes betrachten, das uns im Text für den Dienstag dieser Woche, Exodus 33, begegnete, wo Mose von Gott vor Gott Schutz erfährt. Die Reformatoren griffen diesen Gedanken auf, indem sie zwischen dem „verborgenen“ und dem „offenbaren“ Gott unterschieden. Der verborgene Gott ließ sich einst äußerst angsterregend auf dem Berg Horeb nieder. Der offenbare Gott begegnet uns voller Freundlichkeit in der Gestalt Jesu Christi.

Darin ist der Hebräerbrief konsequent und darum beansprucht er auch seinen Platz im Neuen Testament: Der Weg des christlichen Glaubens wird allein durch die entschiedene Ausrichtung auf den offenbaren Gott in Jesus Christus gefunden. Insofern lässt er sich schon mit der johanneischen Aussage vereinbaren, dass in der Liebe zu Gott keine Furcht ist. Dass er dennoch mit teilweise sehr harten Worten droht, mag daran liegen, dass er stärker als die anderen Briefe des Neuen Testaments in der Tradition des Alten Testaments steht. Dort wird dem gänzlich lieben Gott nicht wie in großen Teilen der späteren christlichen Theologie der böse Teufel sozusagen als Anti-Gott entgegengestellt, dem man alles Übel zuschieben konnte, um sein liebes Gegenstück von aller Schuld daran freizusprechen. Im Alten Testament kommt letztlich alles, was uns widerfährt, von Gott, Gutes wie Böses. Dass es dem Hebräerbrief tatsächlich um diesen strengen Monotheismus geht, deuten auch die vorhergehenden Verse an, in denen er die Frage der „Züchtigung“ durch Gott thematisiert. Dort wird wieder deutlich, dass er vor allem ermutigen will. Allerdings bewegt er sich mit seiner Erklärung des Leidens als Erziehung hart an der Grenze zur Argumentation der Freunde Hiobs.



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