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Samstag: Wochenspruch
Ob der Geist Gottes uns treibt, ist Jesus zufolge nur aus den Wirkungen ersichtlich. Wie
den Wind sieht man auch den Geist selbst nicht, wohl aber seine Wirkung. Man kann den
Satz also mit anderen Worten so sagen: „Ob jemand zu Recht für sich beansprucht, ein
Kind Gottes zu sein, ist an seinem Verhalten zu erkennen.“ Denn die Einstellung, der
Glaube, die Überzeugung im Leben eines Menschen wirkt sich entweder in seinem Verhalten
aus oder sie wirkt sich gar nicht aus. Glaube ohne Auswirkung im Verhalten ist toter
Glaube.
Darum ist es ein nichtssagender Satz, wenn jemand den Wochenspruch umdreht:
„Weil ich Gottes Kind bin, treibt mich (im Unterschied zu denen, die nicht
Gottes Kinder sind) Gottes Geist.“ Dabei ist vorauszusetzen, dass
„Gotteskindschaft“ hier kein allgemeines Prädikat der Menschenkinder
als den geliebten Werken des Schöpfers ist, sondern eine Bezeichnung
für die Übereinstimmung der Willensausrichtung eines Menschen mit dem
Willen Gottes. „Kind“ meint hier, „wes Geistes Kind“ man ist, also eine
geistige Verwandtschaft: die enge Zugehörigkeit zu der geistigen Macht,
die einen Menschen prägt und bestimmt. Darum kann Jesus auch Menschen,
die sich der Lüge verschrieben haben, „Kinder des Teufels“ nennen.
Im Gespräch mit Nikodemus (Joh 3) sagt Jesus, dass man nur durch einen Geburtsvorgang
ein Kind Gottes dieser Art wird und dass dieser Geburtsvorgang durch „Wasser und
Geist“ gewirkt ist. „Wasser“ kann in diesem Zusammenhang nichts anderes heißen
als das Wasser der Johannestaufe. Dieses Wasser ist das äußere Zeichen der
inneren Abkehr von der Verantwortungslosigkeit zur Verantwortung dem Mitmenschen
gegenüber. Das ist zugleich die verantwortliche Wegbereitung für das Kommen
des Gottesreichs. Dies ist der aktive Teil der Glaubensentstehung in uns: Wir
sind gerufen, aus eigener, freier Entscheidung heraus unsere Einstellung und
unser Verhalten zu ändern. Die Bereitschaft dazu ist die Voraussetzung für
den passiven Teil der Glaubensentstehung. Das ist die Geburt durch den Geist.
Sie bewirken wir nicht selbst; es geschieht an uns; es ist mit Schmerz,
Angst und Widerstand in uns verbunden, aber es geschieht unter dem Vorzeichen
der hoffnungsvollen Erwartung zu erfahren, dass der Lohn der Krise darin liegt,
sich am Ende „wie neugeboren“ zu fühlen, wahrhaft lebendig und befreit. Es
wird deutlich, wie beides ineinander greift, denn der aktive und der passive
Teil der Glaubensentstehung laufen auf dasselbe Ziel hinaus, nämlich
unsere wirkungsvolle Veränderung aus dem Zustand der Verantwortungslosigkeit
in die gelebte Verantwortlichkeit hinein. Der Geist Gottes initiiert
diesen Prozess: Schon die prophetische Johannespredigt ist Reden Gottes,
weswegen Jesus sie ja auch ohne Weiteres fortsetzt, als Johannes
gefangen genommen wird. Er initiiert ihn aber, indem er uns zunächst
zur mitmenschlichen Verantwortung bewegt. Dann wiederum vollendet
der Geist Gottes den Veränderungsprozess, indem er diese unsere
Bereitschaft aufnimmt und über die Grenzen unseres eigenen Vermögens
hinaus zum Ziel bringt.
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