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Donnerstag:
Johannes 1,29-34
Indem Jesus zu ihm kommt, erkennt Johannes, dass Jesus „das Lamm Gottes“ ist, „das der
Welt Sünde trägt“. In der persönlichen Begegnung geschieht das also, so wie gleich danach,
als der erste Jüngerkreis entsteht. Entscheidend ist das „Siehe“. In der persönlichen
Begegnung mit Jesus gehen dem, der bereit ist zu sehen, die Augen für das Wesen Jesu
auf. Dadurch entsteht offenbar eine zutiefst gewisse Überzeugung, die zwar in Zweifel
geraten, aber nicht mehr ausgelöscht werden kann. Das Sehen wird jedoch erst dadurch
zu dieser Überzeugung, dass es sich mit dem Hören verbindet. „Wer Ohren hat zu hören,
der höre!“ Nicht von ungefähr ereignen sich viele Heilungszeichen durch die Hand Jesu
an Blinden, Tauben und Stummen. Aber das Hören allein bewirkt die Überzeugung so wenig
wie das Sehen allein. Hören meint in der Bibel nicht einfach nur das Empfangen und
Verarbeiten von irgendwelchen Schallreizen, sondern es meint die verstehende Aufnahme
des gesprochenen und geschriebenen Wortes. Das ist ein intellektueller Vorgang der
Vernunft, der zwar von Fantasiebildern begleitet ist, die aber mit der Wirklichkeit
nur wenig zu tun haben mögen, was besonders dann der Fall ist, wenn sich um Worte
handelt, die von göttlichen und jenseitigen Dingen handeln.
Hörender Glaube ohne Sehen ist Glaube ohne Erfahrung. Dieser Glaube ist besonders
anfällig dafür, dass die reale Erfahrung durch Fantasien ersetzt wird, die nicht
wirklichkeitsgemäß sind. Darin liegt die Ursache von Schwärmerei und Gesetzlichkeit.
Johannes der Täufer hatte eine theologische, hörende Vorstellung vom Messias:
„Das Lamm Gottes, welches der Welt Sünde trägt“. Aber bis zu dieser Begegnung
mit Jesus fehlte ihm die komplementäre Erfahrung dazu. Jetzt erst vervollständigte
sich die Überzeugung. Sein hörender Glaube hatte verstanden, dass dieser Messias
irgendwie schon da war, in Gestalt der prophetischen Lehre, die seinem
leibhaftigen Erscheinen vorausging. Darum sagt Johannes: „Er war vor mir
schon da“. Darum wusste er, es war ihm ein theologischer Grundsatz. Aber
er fügt gleich hinzu: „Und ich kannte ihn nicht.“ Das Wort war noch nicht
Fleisch für ihn geworden, es hatte also noch keine lebendige Gestalt für
ihn gewonnen. Nur so wird aber der Glaube zu einer gleichermaßen
realistischen wie festen Gewissheit.
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