1. Sonntag nach Epiphanias
Leitmotiv: Die Bedeutung der Taufe Jesu
Wochenspruch: „Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.“ Römer 8,14



Donnerstag: Johannes 1,29-34

Indem Jesus zu ihm kommt, erkennt Johannes, dass Jesus „das Lamm Gottes“ ist, „das der Welt Sünde trägt“. In der persönlichen Begegnung geschieht das also, so wie gleich danach, als der erste Jüngerkreis entsteht. Entscheidend ist das „Siehe“. In der persönlichen Begegnung mit Jesus gehen dem, der bereit ist zu sehen, die Augen für das Wesen Jesu auf. Dadurch entsteht offenbar eine zutiefst gewisse Überzeugung, die zwar in Zweifel geraten, aber nicht mehr ausgelöscht werden kann. Das Sehen wird jedoch erst dadurch zu dieser Überzeugung, dass es sich mit dem Hören verbindet. „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“ Nicht von ungefähr ereignen sich viele Heilungszeichen durch die Hand Jesu an Blinden, Tauben und Stummen. Aber das Hören allein bewirkt die Überzeugung so wenig wie das Sehen allein. Hören meint in der Bibel nicht einfach nur das Empfangen und Verarbeiten von irgendwelchen Schallreizen, sondern es meint die verstehende Aufnahme des gesprochenen und geschriebenen Wortes. Das ist ein intellektueller Vorgang der Vernunft, der zwar von Fantasiebildern begleitet ist, die aber mit der Wirklichkeit nur wenig zu tun haben mögen, was besonders dann der Fall ist, wenn sich um Worte handelt, die von göttlichen und jenseitigen Dingen handeln.

Hörender Glaube ohne Sehen ist Glaube ohne Erfahrung. Dieser Glaube ist besonders anfällig dafür, dass die reale Erfahrung durch Fantasien ersetzt wird, die nicht wirklichkeitsgemäß sind. Darin liegt die Ursache von Schwärmerei und Gesetzlichkeit. Johannes der Täufer hatte eine theologische, hörende Vorstellung vom Messias: „Das Lamm Gottes, welches der Welt Sünde trägt“. Aber bis zu dieser Begegnung mit Jesus fehlte ihm die komplementäre Erfahrung dazu. Jetzt erst vervollständigte sich die Überzeugung. Sein hörender Glaube hatte verstanden, dass dieser Messias irgendwie schon da war, in Gestalt der prophetischen Lehre, die seinem leibhaftigen Erscheinen vorausging. Darum sagt Johannes: „Er war vor mir schon da“. Darum wusste er, es war ihm ein theologischer Grundsatz. Aber er fügt gleich hinzu: „Und ich kannte ihn nicht.“ Das Wort war noch nicht Fleisch für ihn geworden, es hatte also noch keine lebendige Gestalt für ihn gewonnen. Nur so wird aber der Glaube zu einer gleichermaßen realistischen wie festen Gewissheit.



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