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Sonntag:
Lukas 1,46-55
Evangelium
Gottes Kommen in die Welt vollzieht sich nicht anders als in der Erhöhung einer erniedrigten
Frau. Sie repräsentiert alle Erniedrigten, besonders aber ihr eigenes erniedrigtes Geschlecht.
Die antike Kultur im Mittelmeerraum war seit Menschengedenken männlich dominiert, sehr zu
Lasten der Frau. Das Männliche wurde als das wahre, starke, ursprüngliche Menschsein
angesehen, das Weibliche allermeist verachtet und verdächtigt. Wie ungeheuer mächtig
und verbreitet diese Asymmetrie des Menschenbildes ist, zeigt die Weltgeschichte bis
heute sehr deutlich.
Darum sind weder das Attribut „Mutter Gottes“, das Maria in der frühen Kirche
beigelegt wurde, noch das Mysterium der Jungfrauengeburt als frühkatholizistische
Verirrungen anzusehen. Das Besondere am Titel „Mutter Gottes“ ist ja nicht,
dass eine Göttin einen Gott gebiert, sondern dass ein weiblicher Mensch die
notwendige Voraussetzung der Menschwerdung Gottes ist. Und das Mysterium der
Jungfrauengeburt verhindert, die Ursache dafür doch wiederum einem männlichen
Zeugungsakt zuzuschreiben. Das Empfangen durch den Heiligen Geist ist etwas
ganz anderes als das Begattetwerden durch ein männliches Wesen. Die
Empfängnis Marias widerspricht der Anschaung, das Männliche sei das
Verursachungs- und Gestaltungsprinzip der Schöpfungskraft, das Weibliche
sei nur der passive Gegenpart dazu als der Stoff, dem das Männliche die
Form gibt. Gott als der Schöpfungsgrund schlechthin ist kein Mann, sondern
Gott ist Gott. Es gibt kein geschlechtliches Wesen Gottes; alles
geschlechtliche Wesen stammt von Gott her, aber es ist darum nicht
göttlich.
Gott ist die Liebe, in der sich die unglückliche Polarität der Geschlechter neu
vereint. Die Liebe Gottes bewegt die Welt dazu, die Asymmetrie des ungerechten
Männerregimes über die Frauen zu überwinden. Die Erhöhung Marias ist das initiale
Wegzeichen dorthin.
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